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iBoy

iBoy

Titel: iBoy
Autoren: Kevin Brooks
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Blog und fing an zu schreiben. Soweit ich wusste, war es das erste Mal, dass sie in ihrem Blog schrieb. Mir war klar, dass ich sie nicht ausspionieren sollte, und irgendwie kam ich mir mies vor und schämte mich dafür, doch egal, wie schuldbewusst ich mich fühlte, ich wollte einfach wissen, wie es ihr ging und was sie dachte.
    Sie schrieb nicht sehr viel.
     
    |88|
ich weiß nicht, wieso ich das hier schreibe
, begann sie,
denn mir ist klar, das liest sowieso nie jemand. aber ich glaub, ich muss einfach aufschreiben, was mit mir los ist. ich muss es irgendwem erzählen, meinetwegen auch einfach nur mir selbst. ich fühle mich tot. ich bin total am ende. nichts wird wieder gut. nichts bedeutet mehr etwas. alles, was gut war, ist vorbei.
    war irgendwie schön, dass t da war. danach hatte ich eine weile das gefühl, nicht mehr so tot zu sein, aber jetzt hier im dunkeln kommt alles zurück und ich seh nirgendwo licht. ich fühle nichts mehr. ich will ihnen wehtun, sie umbringen. ich hasse sie. ich will, dass sie sterben, leiden, aber was würde das nützen? was sie getan haben, das kann ich nicht auslöschen.
     
    Ich wartete eine Weile, ob sie noch mehr schreiben würde, aber nach einer Viertelstunde oder so loggte sie sich bei MySpace aus und fuhr ihren Laptop runter. Ich wartete trotzdem noch ein bisschen und überlegte, was ich tun könnte, tun sollte, tun wollte   … und dann, um 03:57:33   Uhr, schloss ich die Augen, ging wieder in meinen Cyber-Kopf und richtete mir eine MySpace-Seite ein. Sie war fast so leer wie Lucys – es gab keine Bilder, keine Infos usw.   –, aber ich nahm zumindest zwei Lieblingsfilme auf,
Spider-Man
und
Spider-Man 2
, denn Lucy und ich hatten beide zusammen angeschaut, und unter der Rubrik Musik trug ich
Fall Out Boy
und
Pennywise
ein, weil ich wusste, dass Lucy diese Gruppen gut fand.
    Als es darum ging, einen Namen für mich zu wählen, überlegte ich ziemlich lange und entschied mich – mit Lucys MySpace-Namen (aGirl) und der Tatsache im Hinterkopf, dass ich teils iPhone, teils Junge war, ob mir das nun gefiel oder |89| nicht – schließlich für den Namen, den einer der Crows mir gestern verpasst hatte. Ich nannte mich iBoy.
    Lucys Seite war auf privat gestellt, was unter normalen Umständen hieß, dass nur ihre Freunde ihr Nachrichten schicken konnten (wenn sie Freunde gehabt hätte). Und das bedeutete: Wenn ich wollte, dass sie iBoy als Freund hinzufügte, musste ich ihr eine Anfrage schicken, warten, bis sie sich wieder einloggte, hoffen, dass sie mich auch hinzufügen würde   … aber darauf hatte ich keine Lust. Und außerdem
waren
das hier keine normalen Umstände   … und ich war schließlich iBoy. Ich musste bloß dran
denken
, mich auf die Liste ihrer Freunde zu setzen und die Nachrichtenverbindung zwischen uns einzurichten, sie auf absolut privat zu stellen, auf absolut dringend und auf absolut beschränkt für aGirl und iBoy, und dann dran
denken
, ihr die Nachricht zu senden   … schon war es passiert.
     
    hallo aGirl
, schrieb/dachte/sendete ich,
ich hoffe, es ist dir nicht unangenehm, dass ich dir diese Nachricht schicke, aber ich hab deinen blog gelesen. ich weiß, eigentlich wolltest du gar nicht, dass ihn irgendwer liest, aber ich möchte dir bloß sagen, wenn dir mal danach ist, mit jemandem zu reden, dann kannst du es jederzeit mit mir tun. ich weiß, du kennst mich nicht und ich könnte irgendwer sein, aber wenn du mich fragst, ich bin garantiert niemand, mit dem du nicht sprechen solltest. ich bin eigentlich gar nichts, einfach ein sechzehnjähriger junge, der nicht versteht, was läuft. wenn du mit mir reden magst, freu ich mich. wenn nicht, dann antworte einfach nicht oder sag mir, ich soll verschwinden, und ich versprech dir, du hörst nie wieder was von mir.
    iBoy
     
    |90| Um 04:17:01   Uhr fand ich heraus, dass die ganze Zeit meine Video-Funktion eingeschaltet war und alles filmte, was ich sah: Ich musste mich nur an etwas erinnern, um zurückzuspulen und es noch mal laufen zu lassen.
     
    Und zwischen 04:48:22 und 06:51:16   Uhr fand ich heraus, dass es echt schwer ist, einzuschlafen, wenn du alles weißt, was es zu wissen gibt. Und dass Superkräfte – egal,
wie
stark sie sind – überhaupt keine Hilfe sind, wenn du im Dunkeln vor dich hin weinst.

|91| 1001
    Kaum etwas ist einfach im Land der Gangs. Dein Alltag, deine Rolle, deine Zukunft, die Leute, mit denen du zusammenarbeitest, die Leute, gegen die du kämpfst – alles ist
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