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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Troys Bruder umzubringen.«
    »Dann hast du Troy also alles gesagt, was du gesehen hast?« »Ja.«
    »Sonst noch was?
    »Wie meinst du das?«
    »Ob du ihm sonst noch was gesagt hast?«
    »Nein   …«
    »Sicher?«
    |139| »Ja, ja   …«
    »
Klingt
aber nicht so.«
    Ben sah mich an. »Ich hab ihm nichts weiter gesagt, okay? Ich
weiß
nicht mehr.«
    Ich starrte ihn an. »Versuch mich ja nicht anzulügen.«
    Er zuckte die Schultern.
    Ich sagte: »Und was, glaubst du, hat Troy jetzt wegen dem Typen mit dem Taser vor?«
    Ben zuckte von Neuem die Schultern. »Ihn suchen, nehm ich an.«
    »Und dann?«
    »Ihn umbringen wahrscheinlich.«

|140| 1101
    »Was tut er eigentlich?«
    »Wie bitte?«
    »Gott   … ich meine, was
tut
er eigentlich?«
    »Nun«, antwortet der Pfarrer langsam, »es ist nicht so sehr die Frage, was Gott
tut
–«
    »Für mich schon.«
     
    Kevin Brooks
    Killing God
(2011)
     
    Nachdem ich Ben zurück zu seiner Wohnung hatte gehen lassen, merkte ich – einigermaßen überrascht   –, dass ich die Treppe hinauflief anstatt wieder nach unten. Ich hatte keine rechte Vorstellung von dem, was ich tat – ich hatte es nicht geplant oder so   –, aber mir war immerhin klar, dass die Treppe aufs Dach führte, also muss
irgendwas
in mir wohl doch gewusst haben, was ich tat.
    Zwei Treppen über dem dreißigsten Stock stand ich plötzlich vor einem Gitter. Es reichte vom Fußboden bis zur Decke und war mit einer schweren Stahlkette und einem riesigen Vorhängeschloss aus Messing gesichert. Ich nahm das Schloss in die Hand, machte die Augen zu und ließ die Energie durch den Arm in meine Hände fließen   … und nach einem kurzen |141| Moment spürte ich, wie sich im Schloss etwas tat. Ich hörte es mehrmals leise klicken, das Geräusch von Metall auf Metall   … dann sprang das Vorhängeschloss auf.
    Ich wickelte die Stahlkette auseinander, ging durch das Gitter und machte es hinter mir wieder zu, doch jetzt stand ich vor einer Sicherheitstür mit der Aufschrift
UNBEFUGTER ZUTRITT VERBOTEN
. Sie war natürlich auch versperrt, aber diesmal nicht mit einem Vorhängeschloss – stattdessen gab es neben der Tür eine Zahlentastatur. Ich brauchte den Sicherheitscode, um sie zu öffnen.
    Kein Problem.
    Ich hackte mich in die Datenbank der Gemeindeverwaltung ein, durchforstete alle möglichen Sicherheitsbestimmungen über die Hochhäuser in der Crow Town und fand den vierstelligen Code. Ich tippte ihn ein – 4514 – und öffnete die Tür. Sie führte in einen kleinen Raum, der mit allem möglichen Zeug gefüllt war – Schränken und Regalen, Rohren und Kabeln, Heizreglern. An der hinteren Wand war eine Eisenleiter befestigt, die zu einer verschlossenen Luke führte. Ich kletterte die Leiter hoch, i-entriegelte das Schloss, dann stieß ich die Luke auf und trat hinaus aufs Dach.
    Der Regen hatte jetzt aufgehört, doch als ich die Luke hinter mir schloss und zur Dachkante lief, spürte ich, wie mir die kalte Nachtluft in die Haare fuhr. Ich stand dreißig Stockwerke weit oben, hoch über der Erde, und konnte kilometerweit in alle Richtungen sehen. Überall brannten Lichter   – Lichter aus Häusern und Wohnungen, Straßenlaternen, Ampeln, Ströme von Autoscheinwerfern – und ganz in der Ferne sah ich die hellen Lichter Londons: Bürohäuser, Luxus-Hochhäuser, Straßen um Straßen voller Läden und Kinos und Verkehr   …
    Ich hatte das natürlich alles schon mal gesehen. Ich sah es |142| jeden Tag, immer, wenn ich aus dem Fenster schaute. Doch der Blick von hier oben – draußen, auf dem Dach – war irgendwie anders. Er fühlte sich weiter, klarer, größer   … wirklicher an.
    Ich setzte mich mit verschränkten Beinen an den äußersten Rand des Dachs.
    In der Dunkelheit unter mir machte sich die Crow Town bereit für die Nacht. Gruppen von Jugendlichen hingen herum – an Ecken, im Schatten der Hochhäuser, am Straßenrand   –, andere fuhren in Autos oder auf Rädern durch die Siedlung. Schwache Geräusche trieben hinauf in die Nacht   – Rufe, bellende Hunde, Autos, Musik   –, doch hier, hoch über dem Rest der Welt, war alles still.
    Ich schaute nach oben in die sternenlose Nacht und das Einzige, was ich sah, war eine grenzenlose Welt von Dunkelheit und Leere   … aber ich wusste, sie war nicht leer. Der Himmel, die Atmosphäre, die Luft, die Nacht   … die ganze Welt vibrierte von lauter Radiowellen. Sie waren überall, rings um mich her, unaufhörlich – Fernsehsignale,

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