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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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dachte   …« Sie verstummte und wischte sich eine Träne aus dem Auge. Und da wusste ich, sie dachte an meine Mum, ihre Tochter   … Ich konnte mir kaum vorstellen, wie schwer es für Gram gewesen sein musste, als ich im Krankenhaus |150| lag und sie an meiner Seite gesessen hatte, ohne zu wissen, ob ich überleben würde   …
    Ich schlang meine Arme um ihren Hals und legte den Kopf an ihren. »Mach dir keine Sorgen, Gram«, sagte ich leise. »Mit mir kommt wieder alles ganz in Ordnung, das versprech ich dir.«
    Sie lächelte mich durch die Tränen an. »Das hoffe ich.«
    »Vertrau mir   … ich hab vor zu leben, bis ich
mindestens
so alt bin wie du.«
    Sie lachte und schlug mir scherzhaft auf den Oberschenkel, dann nahm sie ein Papiertaschentuch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Es gab so vieles, was ich sie gern gefragt hätte über meine Mum, doch ich wusste, sie wollte darüber nicht reden. Ich glaube, es war einfach zu schwer für sie. Zu schmerzhaft, zu traurig   … und das verstand ich. Oder zumindest versuchte ich, es zu verstehen. Im Allgemeinen war es ja auch okay   … da kümmerte es mich nicht so richtig. Die meiste Zeit
musste
ich nicht mehr wissen als die Fakten – dass meine Mum bei einem Autounfall getötet wurde, als ich sechs Monate alt war, und dass der Fahrer einfach abgehauen war.
    Das reichte mir   …
    Meistens.
    Aber manchmal, wie jetzt, reichte es eben
nicht
.
    Manchmal wollte ich dringend mehr wissen.
    »Gram?«, fragte ich leise.
    Sie schniefte. »Ja, Schatz?«
    »War es genauso   … also, bei Mum?«
    Sie sah mich an. »Was war genauso?«
    »Hat sie   …? Ich meine, war sie auch eine Weile im Krankenhaus, so wie ich   … oder ging es, du weißt schon   … ging es bei ihr ganz schnell?«
    |151| Gram hielt meinem Blick ein, zwei Sekunden stand, dann wandte sie sich ab, schaute zu Boden, und eine Weile glaubte ich, sie würde nicht antworten. Aber nachdem sie noch mal geschnieft und sich die Nase geputzt hatte, sagte sie sehr leise: »Sie hat nicht gelitten, Tommy. Es ging ganz schnell. Sie hat nichts davon mitbekommen.«
    »Sie war sofort tot?«
    Gram nickte. »Georgie   … deine Mum wollte zur Arbeit   … sie stieg aus dem Bus und hatte gerade den Fuß auf die Straße gesetzt, um sie zu überqueren, da kam wie aus dem Nichts ein Wagen angerast und hat sie überfahren. Sie war auf der Stelle tot. Gott sei Dank hat sie nichts mehr mitbekommen   …«
    Grams Stimme wurde von Tränen unterbrochen und ich sah, wie ihre Hände zitterten.
    »Tut mir leid, Gram«, sagte ich. »Ich wollte dich nicht   …«
    »Nein, nein«, sagte sie schnell und sah zu mir hoch. »Ist schon in Ordnung, Tommy   … es ist nur, dass ich   … es ist   …«
    Sie konnte nicht zu Ende bringen, was sie sagen wollte. Traurig lächelte sie mich an, wischte sich wieder eine Träne aus dem Auge, und als sie liebevoll meinen Kopf in ihre Arme nahm und mich lange an sich drückte, spürte ich, dass sie am ganzen Leib zitterte.
     
    Später, nachdem wir etwas zusammen gegessen und das Ende eines Spätfilms angeschaut hatten, fragte ich Gram, ob sie schon mal was von Howard Ellman gehört hätte, dem Mann, von dem Davey gesprochen hatte und der anscheinend der Teufel genannt wurde. Sie reagierte völlig unerwartet. Zuerst tat sie überhaupt nichts – sie saß nur da, vollkommen still, und blickte starr geradeaus   … atmete nicht mal – und einen Moment lang fragte ich mich, ob sie mich überhaupt gehört hatte. |152| Doch dann wandte sie mir wie in Zeitlupe den Kopf zu und ich sah an ihrem Blick, dass sie meine Frage sehr wohl mitgekriegt hatte. Gram schien fassungslos – vollkommen fassungslos. Es war, als ob sie gerade die schlimmste Nachricht der Welt gehört hätte.
    »Was ist, Gram?«, fragte ich. »Alles in Ordnung?«
    »Wie?«
, flüsterte sie.
    »Ob mit dir alles in Ordnung ist? Du siehst ja schrecklich aus.«
    Sie blinzelte und sah mich stirnrunzelnd an. »Wie bitte   …? Ich war   … äh   … ich war mit den Gedanken gerade ganz woanders. Was hast du gesagt?«
    »Howard Ellman   … ich hab dich gefragt, ob du schon mal von ihm gehört hast.«
    »Wieso   …? Ich meine   …« Sie räusperte sich. »Wieso fragst du nach ihm?«
    Ich zuckte die Schultern. »Nur so, wirklich. Davey hat mir erzählt, dass er die ganzen Gangs hier betreibt   … also, nicht wirklich
betreibt
, aber im Hintergrund die Fäden zieht.«
    Gram nickte und lächelte mich verkniffen an.

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