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iBoy

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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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wegen der Schäden, die ich verursacht hatte, und wegen der Leute, die ich verletzt hatte, und natürlich würden sie auch wissen wollen,
wie
ich sie verletzt hatte   … Ich würde wahrscheinlich verhaftet und verurteilt werden   … das heißt, wenn sie mir glaubten. Was alles andere als sicher war. Aber wenn ich es erst mal Mr Kirby erklärt und vielleicht ihm und der Polizei
bewiesen
hatte, was ich mit meinem iHirn tun konnte   … vielleicht würde sich Mr Kirby ja dann überlegen, |239| wie er in meinen Kopf kommen und alles entfernen könnte, was entfernt werden musste, damit ich wieder normal wurde   …
    Vielleicht.
    Und Lucy…?
    Gott, was würde
sie
von mir denken? Ich meine, selbst wenn sie vielleicht schon einen leisen Verdacht hatte, dass es eine Verbindung zwischen iBoy und mir gab – und nach heute Abend war ich mir ziemlich sicher, dass sie etwas ahnte   –, wie würde sie reagieren, wenn sie herausfand, dass tatsächlich
ich
all diese Dinge gemacht hatte? Und, noch viel schlimmer, dass ich es war, mit dem sie auf MySpace gesprochen hatte   … ich, der vorgetäuscht hatte, ein anderer zu sein. Der sie belogen hatte. Ihr Vertrauen missbraucht hatte. Sie
benutzt
hatte   …
    Sie würde mich doch hassen.
    Oder?
    Sie würde mich hassen, verachten und ich würde sie verlieren   …
    Ich würde sie verlieren durch den Versuch, ehrlich zu sein.
    Aber wenn ich jemals richtig mit Lucy zusammen sein wollte,
musste
ich unbedingt versuchen, ehrlich zu sein.
    Dann dachte ich, Lucy hat recht. Es hat
wirklich
immer alles zwei Seiten.
     
    Die nächsten Stunden lag ich nur auf dem Bett, dachte so angestrengt nach, wie ich nur konnte, zermarterte mein (normales) Hirn und versuchte, einen Weg zu finden, wie ich ehrlich sein konnte, ohne alles zu verlieren   … und wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich ja vielleicht auch auf eine Antwort gekommen.
    Aber ich hatte keine Zeit.
    Ich hatte überhaupt keine Chance.
     
    |240| Es war 02:12:16   Uhr, als es an der Tür klingelte. Ich lag immer noch auf dem Bett, war immer noch komplett angezogen, drehte mich in Gedanken immer noch im Kreis und hatte inzwischen so lange still im Dunkeln gelegen, dass ich träge geworden war. Mein Kopf war gestorben. Mein Körper war zehntausend Kilometer entfernt. Ich hatte kaum noch ein Bewusstsein von mir selbst. Doch als es klingelte, war ich mit einem Schlag hellwach.
    Irgendwas stimmte nicht.
    Es konnte nicht anders sein.
    Es klingelt nur dann um zwei Uhr morgens, wenn irgendwas nicht stimmt.
    Während ich aufsprang und auf den Flur lief, suchte mein iHirn schon nach irgendwelchen Handys in der Nähe. Gram kam gerade aus ihrem Zimmer, und an ihrem vom Schlaf zerknautschten Gesicht und den platt gelegenen Haaren konnte ich ablesen, dass die Klingel sie geweckt hatte.
    »Tommy?«, fragte sie schläfrig und zog den Gürtel um ihren Bademantel fest. »Was läuft hier?«
    »Keine Ahnung   …«
    Es klingelte wieder.
    Gram sah mich jetzt besorgt an. »Wer kann das um diese nachtschlafende Zeit sein?«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie ging zur Tür. »Tja, dann denke ich, sollten wir lieber mal   –«
    »Warte, Gram«, sagte ich und trat vor. »Ich mach das.«
    »Nein, Tommy   –«, sagte sie, aber ich war jetzt schon an der Tür. Mein iHirn hatte draußen im Flur vier Handys erfasst, alle auf stumm gestellt.
    »Wer ist da?«, rief ich.
    |241| Es folgte ein Moment des Schweigens, dann unterdrücktes Geflüster und schließlich hörte ich Lucys Stimme.
    »Tom   …?«
    Sie klang verzweifelt.
    »Tom, mach nicht –
mmpf
…«
    Ich überlegte nicht lange, sondern griff nach der Klinke, drehte den Schlüssel herum und riss die Tür auf   … und da standen sie: Lucy, Eugene O’Neil, Yusef Hashim, ein großer Schwarzer, den ich noch nie gesehen hatte   …
    Und Howard Ellman.
    Lucy war barfuß und hatte nur ein langes weißes Nachthemd an, also ging ich davon aus, dass sie aus dem Bett gezerrt worden war. Ich sah Tränenspuren in ihrem Gesicht, über dem rechten Auge hatte sie eine hässliche rote Platzwunde und ihr Mund war von einem Streifen schwarzem Klebeband bedeckt. Yusef Hashim hielt ihr eine Pistole an den Kopf. Die Waffe, eine Automatikpistole, war mit schwarzem Isolierband an seiner Hand und seinem Handgelenk befestigt und die Hand samt Pistole mit noch mehr Isolierband an Lucys Kopf fixiert. Hand, Pistole und Lucys Kopf   … ein Flickwerk wie aus einem Albtraum.
    Ich starrte Lucy an, unfähig, mich zu rühren.
    Sie

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