Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
iBoy

iBoy

Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
Vom Netzwerk:
mal, sie haben es alle so sehr verdient, was sie jetzt kriegen   …« Ihre Stimme war jetzt ein eiskaltes Flüstern. »Deshalb – ja, in diesem Sinne macht es schon einen Unterschied für mich. Es gibt mir etwas, das ein Teil von mir wirklich braucht   …« Sie seufzte. »Aber das Gefühl hält nie lange an. Ich meine, es reicht einfach nicht   … es
kann
überhaupt nicht reichen. Weil es nichts aus der Welt schafft.« Sie sah mich an. »Gar nichts kann das aus der Welt schaffen.«
    »Sie werden es immer getan haben   …«, sagte ich leise.
    Sie nickte. »Und egal, was jetzt passiert, daran kann niemand was ändern.«
    Als wir so dasaßen und uns ansahen, zusammen allein in dieser grenzenlosen Dunkelheit, merkte ich plötzlich, wie ich an einen alten Superman-Film dachte, den ich Weihnachten im Fernsehen gesehen hatte. Ich hatte ihn damals eigentlich nur so halb angeschaut, deshalb wusste ich nicht mehr allzu viel. Aber es gibt eine Stelle im Film, in der Superman so damit beschäftigt ist, das Leben von anderen Leuten zu retten, dass er keine Zeit hat, das Leben von Lois Lane zu retten – dem Mädchen, das er liebt. Und als er herausfindet, dass sie tot ist, |233| ist er so verzweifelt, dass er rauf in die Atmosphäre fliegt und um die Erde rast. Er fliegt derart schnell, dass die Erde irgendwie immer langsamer wird, bis sie sich gar nicht mehr dreht und irgendwann sogar die Richtung ändert. Dadurch läuft die Zeit rückwärts und Superman kann in die Vergangenheit zurückkehren und Lois Lane vor dem Tod bewahren.
    Was natürlich alles ziemlich lächerlich war.
    Aber ich musste trotzdem dran denken, dass ich, wenn sich die Zeit zurückdrehen ließe   … na ja, dass ich dann eben
wirklich
etwas für Lucy ändern könnte. Alles für sie in Ordnung bringen könnte.
    Mir war natürlich klar, dass das nie passieren würde. Das hier war das wirkliche Leben, kein Film. Und im wirklichen Leben waren die Dinge, egal wie unmöglich sie sein mochten, nie unmöglich genug.
    »Woran denkst du, Tom?«, fragte mich Lucy.
    »An nichts   …«, antwortete ich. »Du weißt schon, bloß an irgendwelchen Kram   …«
    Sie lächelte. »Gibt ziemlich viel Kram zum Nachdenken, stimmt’s?«
    »Ja   …«
    »Und immer ist es   … ich weiß nicht. Irgendwie sind die Dinge nie simpel. Nie einfach
dies
oder
das
. Verstehst du, wie ich das meine?«
    »Ja.«
    »Immer gibt es zwei Seiten bei allem. Du fühlst dich gut bei etwas und gleichzeitig schlecht. Es gefällt dir etwas an jemandem, aber du
willst
nicht, dass es dir gefällt.« Sie sah mich nachdenklich an. »Zwei Seiten, verstehst du? Selbst das, worüber wir eben gesprochen haben   … dass Tobey Maguire süß ist und Kirsten Dunst sexy   … ich meine, eigentlich ist das |234| okay – Küssen und so, dass jemand sexy aussieht   … das ist doch was
Schönes
. Doch dann ist da immer auch die
andere
Seite, die andere Seite vom Sex – die üble Seite, die Scheiße, diese verdammt
widerlichen
Sachen, die Leute einander antun   …« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es, was ich nicht
versteh
, weißt du?«
    »Ja   …«
    Sie seufzte wieder. »Und mit den Menschen ist es das Gleiche   … du glaubst, du kennst sie, du glaubst, du weißt genau, wie sie sind   …« Sie sah mich bedächtig an. »Aber vielleicht hast du dich ja geirrt   … vielleicht hast du dich immer geirrt und vielleicht ist die Person, die du zu kennen
glaubst
… also, vielleicht hat sie ja noch eine andere Seite. Eine Seite, über die du dir nicht sicher bist.«
    »Klar   …«, sagte ich zaghaft.
    Lucy sah mich einen langen Moment an, ließ die Augen keine Sekunde von mir und dann lächelte sie. »Aber vielleicht hab ich ja damit auch unrecht?«
    Ich lächelte zurück. »Mich darfst du das nicht fragen. Ich hab nämlich nicht die leiseste Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Hast du nie, stimmt’s?«
    »Was hab ich nie?«
    Sie lachte und ich grinste sie an und dann saßen wir einfach ein paar Minuten lang schweigend da, lächelten uns im Dunkeln an   … und tief im Innern wusste ich, das hier war so, wie es sein sollte. Das hier war alles, was ich mir wünschen konnte, alles, was es zu wünschen
gab
.
    Das hier
war
es einfach.
    Nach einer Weile sah Lucy auf die Uhr und sagte: »Ich geh dann mal besser, Tom. Mum kommt bald nach Hause.«
    »Okay.«
    |235| Wir standen auf, und als wir so an der Dachkante standen und hinaus in die Dunkelheit schauten, erinnerte ich mich an das letzte Mal, als

Weitere Kostenlose Bücher