iBoy

töten und vergewaltigen und terrorisieren Menschen, nur um der Welt zu zeigen, was Sie sind? Das ist der
Grund
?«
    Er zuckte die Schultern. »Das ist ein Grund wie jeder andere.«
    Ich starrte ihn an. »Sie müssen doch wissen, dass das
falsch
ist   –«
    »Falsch?« Er lachte. »Verdammte Scheiße, was hat das mit
falsch
zu tun?« Er sah mich an. »Glaubst du, es ist
falsch
, wenn ein Hund eine Katze umbringt?«
    »Das ist was ganz anderes.«
    »Wieso?«
    »Hunde sind Tiere – sie wissen es nicht besser.«
    »Und du glaubst,
ich
schon? Du glaubst, einer von uns weiß es? Fuck, Mann   … wir sind
alle
scheiß Tiere – keiner von uns weiß es besser.«
    Als wir so dasaßen und uns anstarrten – ein Feigling und ein Teufel, iBoy und Hell-Man auf der Rückbank eines schwarzen Range Rover   –, fragte ich mich kurz, ob er nicht vielleicht auf eine verdrehte Art sogar recht hatte. Vielleicht wussten wir es |267|
wirklich
beide nicht besser. Vielleicht waren wir
wirklich
nur Tiere. Und vielleicht   …
    Dann hörte ich auf, drüber nachzudenken. Der Wagen wurde langsamer. Ich schaute aus dem Fenster und sah, wie der Range Rover vor uns rechts abbog und langsam einen unbeleuchteten Weg hochfuhr. Wir folgten ihm. Der Weg war uneben, holperig von Rissen und Schlaglöchern, und während der Wagen schwankte und schlingerte, erleuchteten seine Scheinwerfer die geisterhaften Überreste des verlassenen Industriegebiets: verrostete Container, leer stehende Fabriken, ausgeräumte Werkshallen, verlassene Lagerhäuser   …
    Der Wagen vor uns bog wieder nach rechts ab, diesmal auf ein Stück Brachland, das früher vielleicht einmal ein Parkplatz gewesen war   … ein Parkplatz für die Leute, die wahrscheinlich in dem verfallenen Lagerhaus am anderen Ende des unbebauten Grundstücks gearbeitet hatten.
    »Fahr hinterher auf die Rückseite«, wies Ellman Gunner an.
    Wir folgten dem Wagen vor uns, der über das Grundstück rumpelte, auf das Lagerhaus zu und dann auf die Rückseite   … dort blieben wir stehen.
    Ich schaute hinüber zu dem anderen Wagen und hoffte, vielleicht einen kurzen Blick auf Lucy zu erhaschen, aber es war zu dunkel, um irgendwas zu erkennen.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Ellman. »Gleich siehst du sie.«
    Ich schaute ihn an. »Was haben Sie mit ihr vor?«
    »Das Gleiche wie mit deiner Mutter.«
    »Was?«
    Er lächelte kalt. »Du hättest ihren Blick sehen sollen, als ich die Schlampe über den Haufen gefahren habe.«
    »Aber Sie haben doch gesagt   –«
    |268| »Ja, ich weiß, ich hab gesagt, das mit Georgie war nur ein Witz   … stimmt aber nicht.« Er grinste mich an. »Oder vielleicht doch   … ich fürchte, das wirst du jetzt nie mehr rausfinden.«
    Auf einmal bewegte er sich so unglaublich schnell und rammte seinen Kopf mit derart großer Wucht und Geschwindigkeit gegen meinen, dass ich gar keine Zeit mehr hatte, verwirrt zu sein. Ich hatte keine Zeit mehr für irgendwas. Das Einzige, was ich noch vage mitbekam, war ein alles erschütternder Aufprall, ein sekundenhaftes Aufblitzen von extremem Schmerz   …
    Dann nichts mehr.

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    Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, mit denen man rechnet, wenn dahinter kein Plan, keine Absicht, kein Gut oder Böse steht, nichts außer blinder, erbarmungsloser Gleichgültigkeit.
     
    Richard Dawkins
    Und es entsprang ein Fluss in Eden
(1996)
     
    Das Nächste, was ich mitbekam, war, wie ich die Augen aufschlug und durch das Innere des Lagerhauses auf Lucy schaute. Mein Kopf pochte, mein Blick war verschwommen, mein Mund schmeckte bitter von Blut   … und nachdem ich mich kurz vergeblich abgemüht hatte, stellte ich fest, dass ich mich so gut wie gar nicht bewegen konnte. Ich war mit Drähten an einen Eisenträger gefesselt. Meine Hände, Füße, sogar mein Hals   … alles war so stramm festgebunden, dass ich nur noch den Kopf bewegen konnte.
    Aber das war unwichtig. Das einzig Wichtige war Lucy.
    Sie befand sich ungefähr zwanzig Meter von mir entfernt auf der anderen Seite des Lagerhauses. Sie lag auf den Knien und Ellman stand mit einem langen silbernen Messer in der |270| Hand vor ihr. Ihr Mund war noch immer zugeklebt, aber sie hatte die Pistole nicht mehr an ihrem Kopf und Hashim war nicht mehr bei ihr. Er stand jetzt direkt neben mir. Als er merkte, dass ich wieder bei Bewusstsein war, hob er die Pistole und richtete sie auf meinen Kopf.
    Als Ellman Hashims Bewegung wahrnahm und zu mir hinübersah, fing