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Titel: iBoy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Wahrheit?«
    Er hörte plötzlich auf zu lachen und starrte mich aus seinen toten, kalten Augen an. »Ich werd dir erzählen, was ich
weiß
«, sagte er frostig. »Deine Mutter war eine verfickte kleine Hure, die alles gemacht hat für ein bisschen Koks,
das
weiß ich. Und ich weiß auch noch, wie verdammt anstrengend es war, ihren Widerstand zu brechen und sie auf die Straße zu schicken, wo sie hingehörte   … und was macht sie? Nach allem, was ich, verdammte Scheiße, für sie getan hab? Lässt sich schwängern und sagt, sie will aussteigen   … sie will raus aus dem Ganzen   …
clean
werden, verdammt noch mal   …«
    Ellman unterbrach sich, sein Blick glitt von mir ab und ich saß wie betäubt da, unfähig, zu verarbeiten, was ich gerade |264| gehört hatte   … oder was ich zumindest
dachte
, gehört zu haben. Es tat viel zu weh, um es zu glauben.
    »Aber was soll’s«, sagte Ellman und seine Stimme klang jetzt wieder ganz lässig. »Sie hat gekriegt, was sie verdiente.«
    »Was?«
    »Ihr war klar, was passiert, wenn sie mich verlässt. Ich meine,
mich
verlässt man nicht. Niemand verlässt mich. Das wusste sie genau. Sie wusste also, was ich tun musste.«
    »Was   …?«, sagte ich mit kaum hörbarer Stimme. »Was mussten Sie tun?«
    Ellman schaute überrascht, als ob die Antwort klar wäre. »Ich musste sie umbringen.«
    »Umbringen?«
    Er zuckte die Schultern. »Was sonst?«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Meine Mum ist bei einem Autounfall gestorben   –«
    »Das war kein Unfall.«
    Ich starrte ihn an. »Wollen Sie ernsthaft behaupten,
Sie
wären der Typ gewesen, der meine Mum überfahren hat?«
    Einen Augenblick lang sah er mich mit todernstem Gesicht an   … aber dann brach plötzlich ein Grinsen durch und er fing an zu lachen. »Für einen Moment bist du mir voll auf den Leim gegangen, was?«, sagte er. »Für einen Moment bist du mir   …«
    »Ich versteh nicht   –«
    »Ich hab sie nicht
umgebracht
«, sagte er, immer noch lachend. »Ich hab dich bloß verarscht, Mann, das war alles.«
    »Sie haben meine Mum
nicht
umgebracht?«
    Grinsend schüttelte er den Kopf. »Du hast es ja selbst gesagt: Was weiß ich schon von Wahrheit?«
    O’Neil und Gunner lachten jetzt auch beide, schnaubten |265| und prusteten vor Begeisterung über Ellmans kolossalen Witz, und während sich ihr dämliches Gejohle im Wagen verbreitete, schaute ich aus dem Fenster und versuchte nachzudenken. Log Ellman oder nicht? Hatte er Mum wirklich gekannt? Hatte irgendwas von dem, was er mir über sie erzählt hatte, auch nur
entfernt
mit der Wahrheit zu tun?
    Ich konnte nicht darüber nachdenken.
    Es war zu schlimm.
    Ich schaltete eine Zeit lang meine Gefühle aus und konzentrierte mich stattdessen darauf, die Cyber-Landkarte in meinem Kopf mit dem in Verbindung zu setzen, was ich draußen sah. Schnell war mir klar, dass wir uns jetzt auf der Westseite der Siedlung befanden und nach Norden zurück Richtung Industriegebiet fuhren   …
    Ich blickte zu Ellman. Er hatte aufgehört zu lachen und saß nur da, rauchte eine weitere Zigarette und sah mich gleichgültig an.
    »Wieso tun Sie das?«, fragte ich ihn.
    »Was?«
    »Das alles   … Leute fertigmachen, Leuten wehtun, sie vergewaltigen, umbringen   … ich meine, wieso
tun
Sie das?«
    Er zuckte die Schultern. »Hab ich doch schon gesagt, ist alles Geschäft.«
    Ich starrte ihn an. »Geschäft? Verdammt, was hat Vergewaltigung und Mord mit
Geschäft
zu tun?«
    Er seufzte. »Du kapierst nicht   –«
    »Nein.«
    »Alles dreht sich um Macht«, sagte er. »Alles   … die ganze beschissene Welt dreht sich immer nur um Macht. Wer sie hat, überlebt. Wer nicht, ist erledigt. So einfach ist das. Macht ist Gesetz. Sie regiert verdammt noch mal alles. Verstehst du? |266| Und hier in der Gegend   …« Er schaute aus dem Fenster und zeigte auf die vorbeiziehenden Straßen, die Hochhäuser in der Ferne – die Welt der Crow Town. »Hier gibt’s nur ein einziges Mittel, um Macht zu kriegen, aufzubauen und zu bewahren, und das heißt Gewalt.« Er sah mich mit festem Blick an. »Vergewaltigung, Mord, egal was   … das ist nichts Persönliches. Ich mach das auch nicht aus reiner Lust. Ich will damit nicht sagen, dass es mir
keinen
Spaß macht, denn das tut es natürlich, aber das ist nicht der
Grund
, wieso ich es tue. Ich tu es, um allen andern zu zeigen, wer ich bin, was ich tun
kann
… es zeigt der Welt, was ich bin.«
    »Und das ist alles?«, fragte ich. »Sie

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