iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
und der gewaltigen Wildnis. Alaska, der nördlichste Bundesstaat der Vereinigten Staaten, stand in den Köpfen der meisten Leute als Symbol dafür. Und inmitten dieser Landschaft ragte der Mount McKinley beziehungsweise Denali aus der Gebirgskette hervor, sechstausendeinhundertvierundneunzig Meter in den Himmel. Beim ersten Blick auf den Berg hatten wir ihn in nicht erwarteten Höhen entdeckt. Er wirkte mit seiner gewaltigen Masse wie eine unwirkliche Luftspiegelung, die man kaum erfassen konnte.
Der weiße Gipfel des Denali oder »The High One«, wie ihn die Athabascan Ureinwohner passend nannten, lag bereits einige Kilometer hinter uns, als wir an dem Dorf Cantwell vorbeifuhren. Die Häuseransammlung glich einem Fliegendreck auf der Landkarte, hatte aber durch die Kinoverfilmung »Into The Wild« traurige Bekanntheit erlangt. Ein junger Städter war dem Ruf der Wildnis ehrfürchtig gefolgt, aber durch seine Unkenntnis tödlich an ihr gescheitert, in der Nähe von Cantwell.
Wir bogen auf den alten Denali-Highway ab: zweihundertachtzehn Kilometer Schotterpiste auf dem Rücken einer höher liegenden Moräne. Er erstreckte sich menschenleer entlang der Südhänge der Alaskakette, die vor ewiger Zeit von Gletschern geformt worden war. Es war ein schroffes Gebirge, das mit feinem Schnee gepudert und von einer subarktischen Vegetation ringsherum umgeben war.
Neben der Natur faszinierten uns auch die wenigen, bewohnten Gebiete entlang des Highways. Es tauchten keine Ortschaften auf, nicht einmal Häuseransammlungen, sondern nur einzelne Gebäude, an denen wir immer wieder anhielten. Darunter war zum Beispiel ein skurriles Café mit plüschiger Dekoration und einer mittig stehenden Bar, an der wir mit Reisenden aus den unterschiedlichsten Nationen plaudernd unseren Kaffee tranken. Ein anderer Haltepunkt zog uns magisch durch massenhafte bunte Plastikblumen im Vorgarten an. Ein völlig überdrehter Farbklecks, nicht blumig duftend, aber schrill.
In einem weiteren Haus bot eine ältere Frau in bestickter Schürze Kuchen zum Verkauf an – mit großer Wahrscheinlichkeit eine Fertigbackmischung, die mit cholesterinfreiem Eigelb in der Mikrowelle fabriziert worden war. Wir gaben uns trotzdem der Illusion eines frisch gebackenen Kuchens hin und nahmen die kulinarische Verirrung in Kauf.
Ein Stück weiter entlang des Highways umringten uns dicht bepelzte Huskys mit ihren eisblauen Augen. Ihr Besitzer lud uns zu einer Besichtigung auf sein Grundstück ein und die Hunde begrüßten uns mit ohrenbetäubendem Gejaule. Inmitten dieser lauten Hunde fühlten wir uns innerlich unendlich ruhig. Wir befanden uns in einer Umgebung, an der die Zeit für uns still stand. Es war kein Moment, den wir vorher hätten planen können, sondern ein Zufall, der sich uns, wie vieles andere auch, unerwartet präsentierte.
Langsam waren wir den Highway entlang gefahren, hatten immer wieder angehalten, aber trotzdem uns dem Ende der Piste angenähert. Wir waren beinahe wehmütig, als sich die Route dem Ende näherte. Es war einer dieser Tage gewesen, der zu schön war, um ihn enden zu lassen. Wir freuten uns jetzt schon auf unsere Fotos, die auf dem Speicherchip schlummerten. Die kleinen Gedankenstützen, die später den eigenen Film im Kopf starten würden.
Die Dämmerung hing schon in der Luft, als wir uns einen Platz für die Nacht suchten. Mein Blick blieb unerwartet an einem alten Wohnmobil mit Pinneberger Kennzeichen hängen. Wir waren nun schon viele Monate gereist, ohne irgendwelche Landsleute getroffen zu haben, zumindest keine Urlauber mit eigenem Fahrzeug. Die meisten starteten ihre Tour erst im Frühling auf diesem Kontinent, und nicht wie wir im Winter.
Pinneberg war nicht ganz Hamburg, aber schon so dicht dran, dass ein nordisches Heimatgefühl aufkam. Beim Wort Pinneberg musste ich zwangsläufig an die breite Mundart mit lang gezogenen Wörtern denken. Aber auch an Helgoland, die einzige deutsche Hochseeinsel in der Nordsee, die zum Kreis Pinneberg zählte. Zwischen Hamburgern und Pinnebergern bestand immer eine Art von Rivalität. Die Hamburger urteilten die Pinneberger als Dorfdeppen ab und umgekehrt galten die Großstädter als hochnäsige Hanseaten. Uns hatte diese Witzelei immer wenig berührt, denn wir waren ja schließlich keine gebürtigen Hamburger. Aber nun, hier in Alaska, mussten wir das erste Mal an diese Buhlerei denken.
Birte und ich parkten unseren Wagen und gingen zielstrebig auf das Wohnmobil zu. Vom
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