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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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den Urlaub«, hauchte er beiläufig in meine Richtung und verschwand damit wieder.
     
    Ich wunderte mich über die Praxis, die wie ein perfekt gestaltetes Ambiente aus »Schöner Wohnen« wirkte. Ich hatte mir vorher keine Gedanken darüber gemacht, wie die Räumlichkeiten dieser Fachärzte aussehen würden. Es gab nichts von dem, was ich aus normalen medizinischen Praxen kannte. Wozu auch, denn hier wurde das Innere des Menschen schließlich nicht durch Skalpelle offengelegt, sondern durch Worte.
    Wartend saß ich aufrecht in dem Designersessel aus der Art-Déco-Zeit. In allen Schmachtfilmen Hollywoods lagen die Patienten auf einer Couch und der Herr Doktor saß. Die Rollen schienen hier vertauscht.
    Ich schaute mich neugierig um. In dem minimalistisch eingerichteten Raum waren jedoch alle Details schnell entdeckt. Normalerweise ließen wenige Möbel und unnötiger Krempel genügend Platz zum Atmen, aber in diesem Raum fiel das entspannte Durchatmen trotzdem schwer. Die Dinge der reduzierten Einrichtung standen perfekt arrangiert auf ihrem Fleckchen Eichenparkett. Nichts lag ungeplant oder zufällig herum. Nicht einmal eine verirrte Büroklammer, kein Post-it, nichts. Die Stifte waren parallel zur ledernen Schreibtischunterlage angeordnet. Entweder nahm er das Art-Déco-typische Prinzip der fehlenden Natürlichkeit zu wörtlich oder das Fehlen von natürlicher Unordnung uferte in seinen ganz persönlichen Wahn aus, dachte ich verwirrt.
    Ich fühlte mich nicht wirklich wohl und fröstelte ein bisschen. Obwohl ich bis jetzt nur wenige Worte mit ihm hatte wechseln können, stieg ein mulmiges Gefühl in mir auf. Ich tadelte mich still, um mein vorurteilsbehaftetes Verhalten wieder im Keim zu ersticken.
    Mein Blick schweifte weiter durch den Raum. Der aufgeräumte Schreibtisch sah leer und abgearbeitet aus. Zwei Kabel führten aus einer Steckdose im Boden auf den Schreibtisch, ohne in einem Computer zu enden. Der stand bereits für die Reise verpackt in einer Notebook-Tasche daneben. Rasputin hatte sicherlich alle offenen Rechnungen an seine Patienten geschrieben. Geldsorgen plagten meinen Psychiater bestimmt nicht. Schließlich gab es genug Leute, die es wie ich mit den Nerven hatten. Das Aussterben seines Beruf-standes war ausgeschlossen. Im Gegenteil, die Nachfrage war größer als das Angebot an Fachleuten, hatte ich aus der Zeitung erfahren.
    Seine Hamburger Praxis lag in der Nähe des Chilehauses, einem Kontorgebäude aus Backstein. Außerdem befand sie sich in guter Nachbarschaft zum traditionellen Jungfernstieg und der schnell wachsenden Hafencity, die den Wandel vom alten Hafen mit charmantem Schmuddelambiente zum trendgerechten Viertel im Edellook verkörperte.
    Viele internationale Unternehmen verlegten bereits ihre deutschen Firmenzentralen in die neuen Gebäude der Hafencity. Keiner wollte sich das erkämpfte Image durch einen unzeitgemäßen Firmenbau ruinieren. Aber auch kleinere Agenturen und private Personen wollten den Pulsschlag in neuen Büros und schicken Lofts im modernen Herzen Hamburgs spüren. Nichts verpassen, dabei sein und das Besondere erleben. Neue Bewohner und Firmenansiedlungen bevölkerten das Viertel und mit ihnen die potentiellen Patienten meines Psychiaters. Sie konnten in der Mittagspause, vor oder nach Feierabend oder zwischen zwei Terminen auf seine Couch springen, mal so eben schnell zwischendurch. Entsprechend unserem Zeitgeist.
     
    Rasputin unterbrach meine kleine Spinnerei über seine anderen Patienten, als er einen dampfenden Kräutertee in einem großen Porzellanbecher servierte.
    Ich trank vorsichtig einen heißen Schluck. Der Tee beruhigte meine angespannten Nerven und wärmte mich von innen.
    Der Psychiater setzte sich in einen zweiten, mir gegenüber stehenden Sessel. »Ich will mir erst einmal einen groben Überblick über ihr Krankheitsbild verschaffen. Bei ihnen wurde ein Burn-out diagnostiziert?« Rasputin sah mich etwas verhuscht an. Unserem kurzen Blickkontakt konnte er nicht standhalten und wandte sich wieder seinem leeren Schreibblock zu.
    Ich antwortete: »Ja. Ein Burn-out ist von meinem Hausarzt diagnostiziert worden. Obwohl ich gar nicht wirklich weiß, was Burn-out bedeutet.«
    »Darauf kommen wir später zu sprechen. Welche körperlichen Symptome äußern sich bei Ihnen?«
    Meine Beschreibungen von plötzlichem Schwindel, Panikattacken, innerlicher Ruhelosigkeit, Herzschmerzen und -rasen, permanenten Schlafstörungen, tiefer Erschöpfung, Schweißausbrüchen

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