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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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ging mir wirklich sehr schlecht. Akut schlecht! Musste mir erst noch Schlimmeres passieren, um ernst genommen zu werden?
    »Die Medikamente werden Ihnen fürs Erste helfen. Tiefer einsteigen können wir nach meinem Urlaub«, beendete er zügig meine erste Sitzung. Gedanklich saß er sicherlich schon im Taxi auf dem Weg zum Flughafen Fuhlsbüttel.
     

Die schwere Eichentür fiel hinter mir ins Schloss, als ich die Praxis verließ. Ich stand unglücklich vor der Tür und konnte mich nicht vom Fleck bewegen, wie einbetoniert hefteten sich meine Füße am Untergrund fest. Mein erster Psychiaterbesuch war so ganz anders abgelaufen, als ich ihn mir vorher ausgemalt hatte. Rasputin hatte mir in den letzten fünfundvierzig Minuten, leicht debil grinsend, wirre Stoffwechselprozesse erklärt. Meine Krankengeschichte würde sich innerhalb der nächsten Wochen sicherlich auf den tiefsten Grund seiner Erinnerung legen. Aber außer seiner hässlichen roten Zunge, die sich wie ein intervallgeschalteter Scheibenwischer über die Lippen bewegt hatte, brachte er in unserem Gespräch nichts Brauchbares hervor. Kein Rat und auch keine Beruhigung waren über seine Lippen gekommen. Ich wusste nur, wo sein Feriendomizil stand, in dem er sechs Wochen Urlaub verbringen würde. Im Gegenzug hielt ich nun zwei Medikamente in meinen Händen.
    Ich erkannte ziemlich klar nach diesem ersten Treffen, dass Rasputin einen gewaltigen Sprung in seiner eigenen Schüssel hatte. Ich war nicht befangen gegenüber seinem Berufsstand, sondern empfand ihn persönlich als Unsympath. Ich spürte, dass er mir nicht gut tat. Wie konnte ich zu diesem Mann Vertrauen finden, der selbst nicht das war, was er vorgab zu sein und gegen den ich eine innere Abneigung empfand? Außerdem schien er seinen medizinischen Schwerpunkt auf die medikamentöse Behandlung zu beschränken. Von einer Gesprächstherapie waren wir weit entfernt. Worin lag eigentlich der Unterschied zwischen einem Psychiater und einem Psychologen? Und was war dann der Nervenarzt? Ich hatte mich vor meinem Termin überhaupt nicht damit beschäftigt, sondern war kopflos zum Erstbesten gegangen.
    Die bedrückende Stille, die vorher im Altbau geherrscht hatte, wurde schlagartig vom Hamburger Verkehrslärm abgelöst. Mich trennte eine Häuserzeile vom zähen Feierabendverkehr auf der Willy-Brandt-Allee. Die Motoren anfahrender Autos heulten laut auf. Ein Rettungswagen versuchte sich mit Unterstützung der Sirenen eine Schneise durch die Blechlawine zu bahnen. Noch lag ich selbst nicht in so einem Rettungswagen, aber viel fehlte nicht mehr, dachte ich hilflos.
    Ich stand immer noch draußen vor dem Haus meines Arztes und schaute auf die Gehwegplatten unter meinen Füßen. Dort auf den grauen Platten klebten platt getretene Kaugummis. Ihre Farben hatten vom leuchtenden Rosa oder Weiß ins schmuddelige Grau gewechselt. Ich fühlte mich nach diesem Termin auch wie ein gekautes Kaugummi.
    Mein unsympathischer Psychiater war einer dieser Menschen, denen es egal war, wie sich sein Gegenüber fühlte. Oder lag das Problem nicht bei ihm, sondern nur bei mir? Hatte ich die falsche Einstellung? Machte ich letztlich aus einer Mücke einen Elefanten? Vielleicht musste ein Psychiater auch nicht zwangsläufig fürs Gelingen einer Behandlung sympathisch sein, dachte ich verwirrt, obwohl mir meine innere Stimme etwas anderes sagte.
    Ich zwang mich, meinen Blick von den zertrampelten Kaugummis auf dem Gehweg wegzureißen und ging noch beunruhigter, als ich es ohnehin schon vor dem Termin war, nach Hause.
     
     
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    W ir waren in den vergangenen Monaten immer weiter Richtung Norden gefahren. Die Natur war im Verlauf unserer Reise aus dem Winterschlaf erwacht und der kanadische Schnee wurde durch die Sonne aufgetaut. Unsere Aktivitäten wechselten mit den Jahreszeiten und anstatt Ski zu fahren, gingen wir nun in der Natur wandern. Dabei konnten wir Muttertiere, wie Braun- und Schwarzbären oder Elche mit ihren neugeborenen Jungen beobachten.
    Zum Sommeranfang waren wir schließlich dort angekommen, wovon so viele Menschen sehnsüchtig träumten: Alaska! Die meisten bekamen beim bloßen Aussprechen oder Hören des Wortes diesen verklärten, in die Ferne schweifenden Blick. Eine unergründliche Ehrfurcht ergriff uns menschliche Kreaturen vor der endlosen Natur

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