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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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schmutzige Wäsche abgaben.
    Es entstand eine kleine Pause zum Nachdenken.
    »Ich selbst nicht, aber ich habe schon viele Geschichten gehört«, antwortete er ein wenig zögerlich.
    Da war es wieder: Das Gefühl des Einzelnen, das sich nicht durch ihre eigenen Erfahrungen, sondern ausschließlich durch Instruktionen Anderer gebildet hatte. Es gab keinen greifbaren Ursprung für die gelernten Gefahrensignale und deren Folgen. In ihren Köpfen hatte sich ein fatales Angstmuster lediglich »vom Hörensagen« oder »auf Anweisungen« gebildet.
    Der einzige weitere Kunde im Laden untermauerte die Worte des Angestellten: »Ich war einmal in Cancún im Urlaub. Das ist allerdings schon ein paar Jahre her.« Dabei drehte er beim Sprechen einen goldenen Siegelring am Finger. Der Weißkopfadler, das US-amerikanische Wappentier, war deutlich erkennbar, und stand wohl für irgendetwas Militärisches.
    Ich fasste unser Gespräch noch einmal zusammen: »Sie beide kennen Mexiko also nicht wirklich. Und die Stadt Cancún, eine auf dem Reißbrett geplante und entstandene Touristenenklave am Karibischen Meer, kann wohl nicht für das gesamte Land stehen.«
    Sie sagten nichts mehr, aber ihr Schweigen war Antwort genug. Dafür lächelnden sie uns still an und nickten zustimmend.
    Einen letzten Tipp gaben die Männer in der Wäscherei Ingo noch mit auf den Weg: »Sie sollten sich auf jeden Fall bewaffnen, bevor Sie nach Mexiko fahren. Ein Gewehrschuss zur richtigen Zeit kann nicht schaden«, fügte der Siegelringträger so salopp hinzu, als hätte er Ingo gerade eine neue Sehenswürdigkeit verraten. Das durchdringende Lächeln unterstrich den kumpelhaften, aber durchaus ernst gemeinten Ratschlag.
    Ingo knuffte den Mann nach Cowboyart leicht gegen den Oberarm, lächelte ebenso freundschaftlich zurück, aber sagte nichts dazu. Amüsiert verabschiedeten wir uns und verließen den Waschsalon.
    Wir gestanden uns allerdings gegenseitig ein, dass sich unsere Vorfreude auf Mexiko im Laufe des Tages durch die negativen Äußerungen ein wenig eingetrübt hatte. War uns etwas Wichtiges entgangen? Hatten wir vielleicht das Weltgeschehen und die Sicherheitslage in Mexiko in den Medien zu sehr vernachlässigt?
    Die aufsteigenden Befürchtungen versuchten wir abzuschütteln, indem wir umgehend die öffentliche und hochmoderne Bibliothek ansteuerten, die geradezu vor Wissen, aber nicht vor Besuchern strotzte. Wir setzten uns mit unserem Notebook an einen Tisch und loggten uns in das globale World Wide Web mit seinem unschätzbaren Wert an Meinungs- und Informationsvielfalt ein.
    Die Homepage des Auswärtigen Amtes mit dem bundesdeutschen Adler lud schnell hoch. Nicht, dass wir in den letzten Monaten alles aus dieser offiziellen Beratungsstelle gedankenlos hingenommen hatten. Wir wussten, dass es keinen pauschalen Schutz gab, aber die Tendenz der Sicherheitslage ließ sich doch ablesen. Zum Vergleich konnten wir noch die Seiten der Schweizer, Briten, Australier, anderer Staaten, unabhängiger Organisationen oder renommierter Tageszeitungen heranziehen.
    Nachdem wir verschiedene Seiten im Netz aufgerufen hatten, flaute unsere vage Besorgnis vor Mexiko wieder ab. Sicherheitsrisiken wurden in Mexiko-City mit seinen fünfundzwanzig Millionen Einwohnern genannt, außerdem in einigen Grenzstädten, unter anderem Tijuana, die wir sowieso umfahren wollten. Es wurde von Kämpfen zwischen Drogenkartellen, korrupten Polizisten und Toten im Drogenmilieu berichtet. Es stand allerdings nicht mehr in den Empfehlungen als wir sowieso schon wussten oder uns der gesunde Menschenverstand sagte. Und wer, wie wir, in Länder reiste, in denen das materielle Wohlstandsgefälle gravierend war, hatte sich mit gewissen Verhaltensweisen, Zuständen oder Sicherheitsrisiken sowieso schon vor der Reise beschäftigt.
    Ingo und ich konnten uns nun durch umfassende und überwiegend objektive Informationen eine eigene Meinung bildet. Unser deutsches Selbstbewusstsein kehrte mit der informellen Entwarnung zurück. Wir hatten gelernt, dass Angst so viel Raum einnahm, wie wir ihr selbst dafür ließen. Wir wollten ihr keinen Spielraum geben, zumindest nicht der unbegründeten Angst. Mit der Menge an realen Bedrohungen auf der Welt oder im eigenen Leben hatten wir genug zu bewältigen. Die behielten wir im Hinterkopf, aber sie standen nicht im Vordergrund. Wir freuten uns auf das, was vor uns lag: auf die aufregenden, fremden Kulturen und die jeweiligen Besonderheiten der lateinamerikanischen

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