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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Floskeln auch als Gedankenachse im Kopf jedes einzelnen Bürgers fest einbetoniert und schienen unverrückbar geworden zu sein.
    Bei Privatpersonen konnten wir die Angstmache noch nachvollziehen. Aber unsere Touristenfachfrau verkörperte eine offizielle Stelle, in der sie nicht ihre persönliche Meinung kundtun sollte. Zumindest sahen wir das so, da sie schließlich mit ihrer Äußerung über hundertdreizehn Millionen Mexikaner urteilte!
    Ich präzisierte unsere Reiseroute. »Wir werden mit unserem Camper bis nach Patagonien in Südamerika fahren.« Dabei lächelte ich sie zuckersüß an, um die Stimmung nicht kippen zu lassen.
    Ihr rot umrandeter Mund stand offen. Der amerikanische Kontinent schien für sie auf dieser Seite der Grenze zu enden. »Sie werden sicherlich überfallen – und Sie«, dabei drehte sie ihren Kopf noch weiter zu mir, »werden vergewaltigt. In ganz Mexiko herrscht ein erbitterter Drogenkrieg. Es ist absoluter Wahnsinn, überhaupt nach Mexiko zu fahren.«
    Ich musste an einen Artikel denken, den ich gelesen hatte. Darin wurde berichtet, dass die US-Regierung besonders in der US-amerikanischen Grenzregion zu Mexiko die Parole »Kampf den Drogen« zusätzlich hochstilisiert wurde. Das Hauptaugenmerk lag jedoch auf dem Kampf gegen die Bezugsquellen in den Anbaugebieten der mittel- und südamerikanischen Länder und nicht auf den Beweggründen der Konsumenten im eigenen Land. Bedingte das Drogenangebot die Nachfrage oder war die Nachfrage der Konsumenten der Grund für das Angebot? Ich hielt lieber den Mund und fing darüber keine Diskussion an.
    »Sie haben also keine Straßenkarte von Mexiko?«, stellte ich meine Frage immer noch freundlich in Richtung rot lackierter Parfümwolke.
    Ihre Antwort lautete: »Nein, natürlich nicht.« Ihre persönliche Mission, uns von Mexiko fernzuhalten, gab sie jedoch nicht so schnell auf. Sie erzählte uns daraufhin von allen Verwandten und Freunden von Verwandten, denen bereits etwas Schlimmes in Mexiko widerfahren war. Ihr selbst nicht, aber allen anderen.
    Wir besänftigten sie mit unserem Wissen über die Bandenkämpfe im Drogenmilieu, die viele Todesopfer forderten. Die waren unserer Meinung nach allerdings so weit von uns entfernt wie unsere Touristenfachfrau selbst von eigenen Erfahrungen in Mexiko. Wir wollten einen großen Bogen um alles Gefährliche, besonders in den Grenzstädten, machen, was ich ihr auch sagte. Die Kriminalitätsrate in Grenznähe war unbestritten hoch. Nachts hatten wir bereits die Patrouillenboote und Polizeihubschrauber gesehen, die mit Scheinwerfern den Pazifik nach Flüchtlingen oder Schmugglern absuchten. Das Missverhältnis zwischen arm und reich, Hoffnung und Enttäuschung, Industriestaat und Schwellen- bzw. Entwicklungsland wurde durch die hellen Strahlen der Suchscheinwerfer noch deutlicher. Allerdings wollte sie von den heiklen Themen wie Geld-, Drogen- und Menschenschmuggel nichts hören. Auch nichts davon, dass wir uns inmitten der kalifornischen Gemüsefelder zwischen spanisch sprechenden Arbeitern sowieso schon wie jenseits der Grenze gefühlt hatten.
    Ich nahm nach wenigen Minuten den Stadtplan vom Tresen und dankte der Frau für ihre Hilfe. Mit dem Zusammenfalten und Verstauen des Zettels in meiner Bauchtasche signalisierte ich das Ende des Gesprächs.
    Die Frau wünschte uns daraufhin breit lächelnd: »Eine schöne Reise.«
    Wir traten auf den Bürgersteig. Die Strahlen der kalifornischen Sonne wärmten meine Haut, auf der sich eine fröstelnde Gänsehaut abzeichnete. In meiner kurzen Hose und im T-Shirt war ich im klimatisierten Raum bis auf die Knochen ausgekühlt. Ich schlotterte vor Kälte und stellte mich in die pralle Sonne zum Auftauen. Die künstliche Eiseskälte war nur eines von vielem, dass die US-Amerikaner anscheinend ungefiltert und gedankenlos hinnahmen, dachte ich.
    Wir gingen zu unserem Camper zurück und machten einige Besorgungen. Unser Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen fiel auf und dementsprechend kommunikativ verhielten sich die Leute, die uns auf der Straße ansprachen. Aber sobald wir unser Reiseziel Mexiko nur widerwillig erwähnten, folgten bereits ungefragt Warnungen.
    Als bei einem solchen Gespräch wieder die Wörter »Überfall, Mord und Terror« mit unserem nächsten Reiseland Mexiko in Verbindung gebracht wurden, wandten wir eine neue Strategie an: »Waren Sie denn selbst schon mal in Mexiko?«, stellte ich höflich die Frage an den Angestellten des Waschsalons, in dem wir unsere

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