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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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unwichtig, wie viel und wie gut man vorher gearbeitet hatte. Einige Ausnahmen bestätigten die Regel, diese schleppte eine soziale Gesellschaft zähneknirschend mit durch.
    Ich machte mir Gedanken darüber, wie lange ich wohl noch für die Firma tragbar war.
     
    Als ich auf meiner Bank saß und in das aufgeschlagene Buch starrte, erschrak ich beim »Hallo, guten Morgen«, das mir entgegen schallte.
    Ich blickte überrascht in die Richtung der Stimme. Gedanklich war ich ganz woanders gewesen, zumindest nicht beim Buch.
    Eine Bekannte, die ich um hundert Ecken irgendwann einmal kennengelernt hatte, stand mit ihrem kleinen Hund vor mir. Sie trug ein schwarzes zweiteiliges Sportdress und strahlend weiße Turnschuhe. Ihre langen Haare wippten in einem Pferdeschwanz am Kopf. Sie wirkte sportlich, auch ohne die Anzeichen eines einzigen Schweißtropfens auf der Stirn.
    »Hallo«, erwiderte ich freundlich.
    Sie war vor mir stehengeblieben. Ihr Hund schnüffelte an meiner Hose und pinkelte, unbehelligt von seiner Besitzerin, an das Bein der Parkbank.
    Sie ignorierten den gelben Fleck ihres Hundes. »Das sieht aber gemütlich aus«, sagte sie und machte eine Pause. Ihre schwarze undurchsichtige Brille schaute in meine Richtung.
    Ich wusste nicht, was sie meinte. Das Hundepipi konnte sie wohl kaum meinen, deshalb schaute ich mich in meiner Umgebung um. Und tatsächlich musste die Szenerie um mich herum, gemütlich auf sie wirken: faul auf einer Parkbank in die Ferne glotzen zu können und ab und zu wissbegierig die Seiten eines Buches umzuschlagen. Ich gab für Außenstehende sicherlich einen Anblick ab, nach dem sich viele auf dem Weg zur Arbeit sehnten. In der Luft, die mich umgab, lag der Anschein von Urlaub. Die Bank stand wenige Meter vom weißen Elbstrand entfernt, eingerahmt durch alte Bäume, in dessen Kronen kleine Spatzen aufgeregt zwitscherten. Dazu strahlte mir die herbstliche Morgensonne ins Gesicht.
    »Stimmt«, sagte ich zu ihr, »das sieht wohl wirklich gemütlich aus.« Vorher war mir diese morgendliche Schönheit gar nicht aufgefallen. Ich kam mir plötzlich wie ein ertappter Schlafwandler vor, der sich zwar mit offenen Augen bewegt hatte, sich aber an nichts erinnern konnte.
    »Hast du Urlaub?«
    »Eine Art Zwangsurlaub.«
    »Wie? Musst du Überstunden abfeiern?«
    Sie stellte mir eine typische Blankeneser Frage, denn in diesem Hamburger Stadtteil wurde standardmäßig gearbeitet. Die Frage lautete hier also nicht, ob jemand arbeitete, sondern wo und wie viel. Und wer hier nicht arbeitete, der wollte nicht oder, viel wichtiger, musste nicht. Mit voller Hose ließ sich bekanntlich gut stinken. Dabei spielte es auch keine Rolle, ob es die Hosen der Eltern oder die eigenen waren.
    »Ich bin krank geschrieben«, gab ich als Antwort. Ich hatte unüberlegt von Krankschreibung gesprochen. Unbewusst schob ich damit meinem Arzt die Schuld in die Schuhe. Wäre ich aufrichtig gewesen, hätte ich wohl mühelos sagen können, dass ich krank bin.
    Es geht mir schlecht, dachte ich bei mir, aber das konnte ich noch nicht einmal sagen. Dieses Bekenntnis offenbarte man nur seinen engsten Vertrauten. Und dann auch nur im passenden Moment. In den meisten Situationen stimmte der Augenblick selbst bei Freunden nicht. Man knallte seine Empfindungen, Sorgen und Nöte anderen nicht einfach vor die Füße.
    »Was fehlt dir denn?« Sie wartete ungeduldig auf meine Antwort, denn ihr Hund zog nervös an der Leine und fiepte in hohen Tönen.
    »Ich habe eine Ohrenentzündung.« Ich rang mir ein lässiges Lächeln ab. Mit Freunden und guten Bekannten gingen Birte und ich mittlerweile offen mit meinem Burn-out um, bei allen anderen verschwiegen wir die Krankheit. Ich wollte sie erst einmal selbst begreifen.
    »Och, es gibt Schlimmeres. Damit kann man auch in der Sonne sitzen und faulenzen. Du solltest dir besser eine Mütze wegen der Ohren aufsetzen«, lachte sie zurück. »Tschüss und viel Spaß noch.«
    Ihr kleiner Hund zog für seine winzige Größe kräftig an der Leine und sie hetzte in seiner Geschwindigkeit hinterher.
     
    Ich schaute ihr nach und war wieder allein auf meiner Parkbank. Ich schlug nochmals das Buch auf und las einen Abschnitt. Am Ende des Kapitels ertappte ich mich dabei, dass ich den Inhalt nicht wiedergeben konnte. Ich las das gerade Gelesene noch einmal. Es war ein seichter Kriminalroman, nichts Anspruchsvolles, reine Unterhaltung. Aber mein Kopf hatte auf Durchgang gestellt und nichts blieb in ihm haften.
    In den

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