iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
George W. Bush in seinen Reden an die Bevölkerung wie bei einer Drehorgel unablässig herunterleierte. Sprachen die Mächtigen des Landes vielleicht pauschal so viele Warnungen aus, weil sie wussten, wie viel Dreck sie am Stecken hatten?
Dabei ging es in den Warnungen nicht darum, eine gesunde Angst vor Gefahren zu entwickeln. Diese Mahnrufe schüchterten statt dessen ein und machten gefügig. Die Einwohner sollten sich vor absurden Hirngespinsten ängstigen, deren statistische Wahrscheinlichkeit gering war. Die greifbaren realen Quellen für Angst traten hinter die unkonkreten.
Trauten wir den nüchternen Zahlen der Kriminalstatistik, dann fuhren wir tatsächlich über ein heißes Pflaster: Die USA sind in vielen Dingen Spitze, auch in der Anzahl ihrer Millionen Gefängnisinsassen, Freigänger, Kriminellen und Vorbestraften. Auch der Gedanke, dass jeder Erwachsene mindestens eine Pistole oder ein Gewehr unter seinem Kopfkissen oder im Handschuhfach liegen haben könnte, schüchterte ein. Wir machten uns deshalb eher Gedanken über Unberechenbare mit einer Waffe in der Hand als über terroristische Bomben in irgendwelchen Rucksäcken. Die Statistik gab uns Recht. Aber die schnörkellosen Fakten schienen ansonsten niemanden zu interessieren.
Nach unserem Abstecher ins Landesinnere waren wir nun in einer der südlichsten Grenzstädte am Pazifik angekommen. Von diesem Nachbarort San Diegos konnten wir bereits die mexikanische Stadt Tijuana mit ihrer gigantischen, im Wind flatternden Nationalflagge erblicken. Wir wollten nur noch einige Tage in den Vereinigten Staaten verbringen und dann in den lateinamerikanischen Teil des Kontinents eintauchen.
An einem Morgen schlenderten wir durch den US-amerikanischen Grenzort, als wir das Schild einer kleinen Touristeninformation entdeckten. Wir betraten das Büro und prallten dabei gegen eine Wand aus klimatisierter Kälte und Frauenparfüm. Eine gepflegte Mitarbeiterin mittleren Alters, im eleganten Hosenanzug und leicht toupierten Haaren begrüßte uns überschwänglich mit »Hiiiiiii. How are you?«
Unsere Frage nach einer Internetmöglichkeit und der Wäscherei in der Stadt, beantwortete sie, indem sie einen Plan hervorzog und die staatliche Bibliothek für die Internetbenutzung und den Waschsalon darauf markierte.
»Wir suchen außerdem eine Straßenkarte vom Norden Mexikos. Kann ich die bei Ihnen bekommen?«, fragte ich sie freundlich. Ingo stand bereits vor den anderen Prospektständern und schüttelte den Kopf, weil er bei der Suche nach einer Straßenkarte nicht fündig geworden war.
Auf meine Frage verschlug es der Frau regelrecht die Sprache. Ich überlegte schnell, welche bösen Wörter ich in meinem kurzen Satz benutzt hatte. Die langen, rot lackierten Fingernägel hatten aufgehört, freudig mit den harten Nagelspitzen auf den Tresen zu tippen. Ihre zuvor verschwenderischen Gesten wirkten eingefroren, ebenso wie ihre Miene. Dabei hatte ich die goldenen Benimmregeln für die USA, nicht über Religion, Sex oder Politik zu sprechen, nicht mal ansatzweise gestreift. Ich war verwirrt.
»Was möchten Sie haben?«, fragte sie zurück.
Ich hatte das Gefühl, dass meine banale Frage eine kleine Erklärung gebrauchen könnte und holte aus: »Wir werden in ein paar Tagen mit unserem Camper über die Grenze nach Mexiko reisen. Wir besitzen nur eine sehr oberflächliche Karte. Und wir dachten, weil wir uns ja schon fast in Mexiko befinden, dass wir in einer Touristeninformation bestimmt eine brauchbare Straßenkarte von Mexiko finden würden.«
»Sind Sie verrückt geworden?«, schlug es mir im höflichen Ton um die Ohren. »Mexiko ist extrem, extrem gefährlich. Sie sollten auf gar keinen Fall dorthin fahren.« Bei dem Wort EXTREM schlug sie demonstrativ ihre dickgetuschten Wimpern nach unten, um die Wirkung zu verstärken.
Nach einer kleinen Pause sagte Ingo freundlich zu ihr: »Durch die Grenzstadt Tijuana werden wir auch nicht fahren. Wir wollen uns erst einmal an der Grenze in Richtung Osten bewegen, um dann den nächsten entspannten Grenzübergang zu nehmen«. Er guckte mich von der Seite an. Das war ja nicht das erste Mal, dass uns Angst eingejagt werden sollte. Irgendeiner dieser vielen Millionen Einwohner reagierte immer etwas über. Bei der Informationspolitik war das auch nicht verwunderlich. Die moralisch eingefärbten Parolen wie »Kampf dem Terrorismus« oder »Kampf den Drogen« hingen ständig und überall in der Luft. Irgendwann hatten sich diese
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