iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
gefühlsmäßiges Gummiband noch ab und zu zum Job zurückriss. Man hatte mich mit Anfang Dreißig in eine verstaubte Firma geholt, um intensiv mitzuhelfen, sie zu modernisieren und umzustrukturieren. Jede Ritze sollte vom grauen Staub befreit werden, weil nicht mal mehr die Hauptaktionäre und Nachfahren des Firmengründers sich mit der Firma schmücken mochten. Der Geruch einer schweren Tradition hing in den alten Vorhängen und vergilbten Wänden, bevor sie dann innerhalb kürzester Zeit umgekrempelt worden war.
Die Firma war in den letzten Jahren zu einem Ort geworden, an dem ich die meiste Zeit meines wachen Zustands verbracht und in den ich die meiste Energie hatte fließen lassen. Es war für mich mehr als nur ein x-beliebiger Job gewesen. Ich hatte mein Herzblut mit eingebracht.
Ernüchternd sagte ich zu meinem Freund: »Einfach raus. Obwohl ich über viele Jahre erfolgreich war, habe ich im Endspurt trotzdem verloren.«
Er sah mich nachforschend an. »Hört sich an, als hättest du zum Schluss ganz schön Federn lassen müssen.«
Ich wollte mich bei meinen Schilderungen gar nicht mehr in emotionsgeladene Details verstricken und hielt mich zurück: »Ich wollte in meinem neuen Job gravierende Veränderungen vornehmen. Meine Vorstandskollegen sahen das allerdings anders.« Ich lächelte etwas gequält. »Sagen wir mal so, um meine Arbeit zu Fall zu bringen, wurde alles in Kauf genommen, auch dass ich mit ihr fiel. Zu Beginn dachte ich, dass der unsachliche Druck, die persönlichen Anfeindungen oder die nicht zielführenden Diskussionen bloße Einbildung gewesen waren. Aber nun, mit Abstand betrachtet, ist das, denke ich, ganz bewusst so geschehen. Ich habe das Spielchen leider zur damaligen Zeit nicht durchschaut.«
Während ich sprach, summierten sich in meinen Erinnerungen wieder die Ereignisse auf und ergaben mittlerweile ein klares Bild. Der Nebel der Verwirrung war in den letzten Monaten auch mit Hilfe der Gesprächstherapie verschwunden.
Mein Freund schaute mich verständnisvoll an und erzählte von gleichen Erlebnissen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. »Ich weiß genau, was du meinst. In meinem Fall hatten sich auch Allianzen gegen mich gebildet. Das Ergebnis war das gleiche wie bei dir gewesen. Ich musste ebenfalls stark angeschlagen das Handtuch werfen.«
Nach seiner Kündigung vor drei Jahren hatte er mir kaum Details der Auseinandersetzungen erzählt, auch nicht von seinen psychischen Problemen. Nun sprudelte es aus ihm heraus: »Ich war zwar die Karriereleiter heraufgefallen, aber stand intern ziemlich alleine da oben. Ich musste mich plötzlich als ungewollter Einzelkämpfer durchschlagen, obwohl ich nie einer gewesen war und auch nie sein wollte. Ständig versuchte mir jemand, Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ich hatte plötzlich mit einem Kaliber an Anfeindungen und Auseinandersetzungen zu tun, die mich viel Energie kosteten.«
Es eröffneten sich viele Parallelen zu meiner Situation, die ich ihm ebenso erzählte. »Jemand hat mal zu mir gesagt, dass nach oben hin die Luft immer dünner wird. Ich dachte wirklich, ich müsste vieles einfach aushalten und ertragen können.«
Er nippte nachdenklich an seinem Glas.
Ich erzählte meinem Freund von den ersten Monaten, nachdem ich den neuen Bereich übernommen hatte: »Ich war wirklich total motiviert und mein Enthusiasmus schraubte sich immer höher. Mein Pensum an Aufgaben und Geschäftsreisen natürlich auch, aber das kennst du ja. Ich habe wirklich Veränderungen in meiner neuen Position bewirkt. Projekte liefen erfolgreich an und Umstrukturierungen, die ich vorgenommen hatte, griffen. Aber trotzdem erhielt ich keine Unterstützung von den anderen Kollegen.«
»Beschränkten sich die Meinungsverschiedenheiten nur auf das Fachliche?« Mein Freund schien zu ahnen, was sich außerdem hinter den Kulissen abspielt hatte.
Ich trank einen Schluck, bevor ich ihm von einer Vorstandssitzung erzählte. Diese war kurz vor meinem Burn-out gewesen und stand exemplarisch für den Umgangston.
Eine bedrückende Stille schlug mir damals entgegen, als ich das Sitzungszimmer für ein internes Meeting betrat. Normalerweise konnten die beiden anderen Vorstandskollegen gar nicht genug Wörter pro Tag in die Welt hinaus posaunen. Aber nun waren beide still, was ich als ungewöhnlich empfand. Sie verhielten sich wie kleine Kinder, die gerade etwas ausgeheckt hatten.
Mein Mund fühlte sich trocken an. In meinem Magen spürte ich ein flaues Gefühl
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