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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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feinen Zwirn nicht besonders gentlemanlike verhalten.«
    Bilder einer Geschäftsreise brachten sich mir in Erinnerung. Jede Szene blieb nur für einen Bruchteil einer Sekunde und verschwamm in die nächste. Ich musste an ein Erlebnis denken, wo Begriffe wie Moral, Werte oder anständiges Verhalten auch keine Rolle gespielt hatten und erzählte meinem Freunde davon: Während einer chinesischen Geschäftsreise waren ein paar europäische Geschäftspartner und ich in eine Bar eingeladen worden. Wir wurden in ein angemietetes Separee geführt, wo sich nach kurzer Zeit eine weitere Tür öffnete. Die ältere Barbesitzerin trat mit einem jungen Gefolge von Frauen ein. Die Schönheiten reihten sich vor uns auf, abgezählt nach der Anzahl der anwesenden Männer im Raum. Sie trugen edle Kleider und ein Lächeln auf ihren schmalen Lippen, aber keines in den braunen Augen, die falten- und bewegungslos in ihren Höhlen lagen. Die ältere Dame regelte alles mit gewichtiger Miene. Jedem Mann wurde eine Frau zugeteilt, die individuelle Gesellschafterin, wie es hieß.
    Eine zierliche Frau im Abendkleid setzte sich neben mich. Das unausgesprochene Angebot unseres Gastgebers war eindeutig.
    Ich stellte in der ersten Minute klar, dass ich nichts dergleichen von ihr wollte. Denn ich sah, wie die Hände eines anderen Mannes bereits über die angemieteten Schenkel der Gesellschafterin neben uns glitten.
    Ältere Männer in unserer Runde warben sinnlos um die Gunst ihrer blutjungen Gespielinnen. Lachend alberten sie herum und zeigten ihr Balzgehabe im Testosteronrausch. Das Geld machte sie trotz ihrer schmierigen Bäuche im feinen Zwirn und ihrer stinkenden Alkoholfahnen attraktiv.
    Ich beobachtete das verschwörerische Zuzwinkern zwischen den asiatischen und europäischen Augenpaaren. Die Alphatiere erwachten und die männlichen Hormone kamen in Wallungen. Der Gestus war überall auf der Welt gleich. Einer nach dem anderen verließ mit seiner Gesellschafterin die Runde und verschwand in angrenzenden Räumen zum Bumsen. Da war es wieder, das Wort. Und hier sogar passend. Sie hatten das Reich der bloßen Vorstellungen verlassen. Sollte das schlechte Gewissen bei ihnen aufflackern, wurde es zugleich im Keim erstickt, denn die Befriedigung erfolgte im Rudel und machte es damit für sie als persönliche Entschuldigung leichter.
     
    »Die müssen ja alle selbst wissen, was sie machen. Aber in den Topf will ich persönlich nicht geschmissen werden«, machte ich meinen Standpunkt klar.
    Mein Freund nickte mir beipflichtend zu. »Ich will mich auch nicht zum Moralapostel aufspielen. Wie du schon sagtest, muss jeder für sich entscheiden, was er tut. Aber das Verhalten steht wohl beispielhaft für die widersprüchlichen Rollen, die sie generell einnehmen.«
    Ich schaute versunkten auf mein Essen. Manchmal konnte ich mir auch kaum vorstellen, wie leicht man sich die Welt zurechtbiegen konnte. Scheinbar klappte es bei vielen. Ich sagte: »Dann lebt es sich zumindest viel leichter. Sie unterteilen einfach. Ihre Freizeit wird ebenso von der Arbeitszeit getrennt wie ihr Zuhause von der restlichen Welt außerhalb der deutschen Grenzen. Sie kappen alle Fragmente vollständig voneinander ab. Für alle Teile werden unterschiedliche moralische Maßstäbe festgelegt.«
    Mein Freund schluckte den Bissen seines Essens herunter, bevor er weitersprach. »Sie tragen zuhause sicherlich andere Werte zur Schau, kokettierten stolz mit ihren Familienfotos auf dem Schreibtisch und unterstützten durch eine Weihnachtsspende für die Welthungerhilfe notleidende Menschen. In ihrem deutschen Vorgarten soll es sauber sein, wie die Luft zum Atmen und die Manieren ihrer Kinder«. Zynismus schwang in seiner Stimme mit.
    Ich schaute ihn an. »Leider ist es den meisten Leuten egal, wie es anderswo aussieht. Bei anderen Ländern können niedrigere Maßstäbe angesetzt werden, schließlich ist nicht jeder und nicht alles gleich.«
    Mein Freund war eher eine ruhige Person. Das Thema schien ihn aber dermaßen aufzuregen, dass die Schärfe in seiner Stimme zunahm: »Genau! Ihre normalen Handlungsregeln gelten deshalb nicht ständig oder werden schlichtweg ignoriert. Sie schmeißen ihre Prinzipien über Bord, die sie normalerweise hochhalten oder von anderen einfordern. Laut ihrer Ansicht ist alles auf der Welt anpassungsfähig.« Er überlegte kurz, bevor er weiter sprach. »Aber ebenso unterschiedlich liegt doch auch die moralische Messlatte für das Verhalten am Arbeitsplatz und

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