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iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche

Titel: iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birte Jeß , Ingo Schmitz
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Gesundheit haperte, fuhr er wieder in den kollektiven Fitnesstempel. Obwohl er vom langen Arbeitstag erschöpft war, hetzte er zur aufgezwungenen Bewegung. Die Fitness-Geräte wurden dann auch zu intensiv von ihm benutzt und sein Körper rächte sich mit heftigem Muskelkater. Aber das war im ersten euphorischen Bewegungsdrang schnell vergessen. Das riesige Schwimmbecken im Club mied er wegen der plantschenden Fitness-Kurse und der Dauerbeschallung mit Après-Ski-Hüttenmusik. Ähnlich erging es ihm mit dem Saunabereich, dessen ganzkörperrasiertes Publikum auf winzigen, taschentuchgroßen Handtüchern mit jedem Schweißtropfen leichtes Unbehagen verspritzte. Die erhoffte sportliche Entspannung nach Feierabend entlarvte sich als offensichtlicher Trugschluss, die er enttäuscht wieder einstellte. Er fühlte sich nicht besser.
     
    Ich drehte meinen Kopf zu Ingo und schaute ihn an. Er sah trotz seiner Müdigkeit vom Fahrradfahren glücklich aus. Vielleicht tat er das auch gerade wegen der körperlichen Erschöpfung, folgerte ich froh.
    Ingo bemerkte meinen Blick. »Ist was?«
    »Ich musste gerade an all die sinnlosen Aktionen vor deinem Burn-out denken, die dir Entspannung bringen sollten und genau das Gegenteil beziehungsweise gar nichts bewirkt haben.«
    »Und was auf der langen Liste findest du gerade so komisch, das du grinsen musst?«
    Ich legte einen ernsten Gesichtsausdruck über mein Grinsen. »Was den in der Abgeschiedenheit lebenden Menschen in Indien in jahrelanger mentaler Disziplin gelingt, sollte doch in einer hektischen Großstadt so nebenbei auch zu schaffen sein…«
    »POWEEEERYOGA!« Ingo lachte laut los. »Oh, was für eine sinnlose Aktion.« Nachdem er sich wieder eingekriegt hatte, sah er erneut konzentriert aus. »Entschuldige, aber ich möchte zwei Emails zu Ende schreiben, dann können wir uns noch ein bisschen nach draußen auf den Balkon setzen, okay?«
    Ich nickte und hatte auch ohne ihn Spaß an meiner Erinnerung.
    Weil alle um uns herum ein bisschen Yoga machten, hatten Ingo und ich den neuen Lifestyle-Trend auch ausprobiert. Wir dachten in seinem damaligen angeschlagenen Zustand, dass durch die Anleitung Dritter die ersehnte Entspannung zu finden war.
    Zeit nahmen wir uns nicht, um uns über die passende, zivilisatorisch mutierte Form des städtischen Yoga zu informieren. Stattdessen hingen wir uns kopflos an eine Freundin, die Poweryoga für sich entdeckt hatte. Bei dem Begriff hätten wir schon stutzen müssen. Poweryoga, hieß es nicht, weil wir uns nach der Stunde unendlich kraftvoll fühlten, sondern weil wir ordentlich Energie hineinlegen mussten: Nicht nur in die Stunde zwischen bunten Yogamatten, sondern bereits dorthin, durch den Hamburger Feierabendverkehr. Wir wohnten und arbeiteten am westlichen Rand Hamburgs und suchten im Zentrum der Millionenstadt die Entspannung zum Feierabend. Jede Nebenstraße war von stinkenden Blechlawinen verstopft. Wir standen nicht im Stau, wir waren der Stau.
    Als Wahlhamburger überraschte es uns dann auch nicht, dass im Radius von vielen hundert Metern zum Yogazentrum keine freien Parkplätze auf uns warteten. Selbst die teuren Strafzettelplätze im Parkverbot reduzierten sich im Minutentakt. Irgendwann nach Feierabend war jede geldliche Schmerzgrenze überschritten und sank umgekehrt proportional zur Müdigkeit. Die Zeilen aus dem Lied von Herbert Grönemeyer »Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden. Es trommeln die Motoren. Es dröhnt in meinen Ohren. Ich finde keinen Parkplatz…« begleiteten uns ins sinnfreie Poweryoga-Entspannungsprogramm. Drei Mal taten wir uns diese selbst auferlegte Tortur an, dann gaben wir ernüchtert mit Poweryoga auf. Zumindest hatten wir keinen Jahresvertrag für dieses Hirngespinst abgeschlossen, sondern jeden Termin einzeln bezahlt. Die Unverbindlichkeit drückte wohl schon unterbewusst unsere Einstellung zur schnell erlernten Yoga-Entspannung aus.
     
    Ingos Finger flogen immer noch über die Tastatur seines Notebooks. »Ingo, entschuldige, dass ich dich unterbreche, aber ich muss gerade auch an dein Wurzelchakra denken.« Ich prustete laut los.
    »Erinner mich bloß nicht daran. Das war übrigens auch eine deiner glorreichen Ideen, wie ich zur Ruhe finden sollte. Dafür habe ich auf Ewigkeit einen bei dir gut.« Er hob dabei grinsend seinen Zeigefinger in die Luft. »Ich bin gleich fertig«, und widmete sich wieder seinem Bildschirm.
    Chakren-Reiki, eine Idee von vielen, dachte ich amüsiert. Mit

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