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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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zu Hause.«

Kapitel Elf
    Geografische Breite: 70° 49 ' 23 " N
    Geografische Länge: 152° 29 ' 25 " W
    Höhe: 3 m
    CASSIE STÜRZTE SICH MIT FEUEREIFER in die Auswertung von Daten. Tagelang übertrug sie mehrere Tausend Längen- und Breitenangaben in winzig kleine Dreiecke auf einer topografischen Karte. Jedes dieser Dreiecke markierte eine Geburtshöhle. Am späten Abend des fünften Tages war sie fertig. Sie trat einen Schritt zurück, um ihre Arbeit zu begutachten, und zog die Nase kraus. Jeder hätte das machen können – ein Kind, ein Affe, Jeremy.
    »Gut«, sagte ihr Vater, der hinter sie getreten war. »Wie viele haben wir?«
    Cassie zählte. »Einundvierzig im östlichen Teil von Ellesmere, maximale Entfernung von der Küste zwölfeinhalb Meilen, weitere achtundzwanzig in einem Umkreis von fünf Meilen.« Bär könnte in diesem Augenblick dort sein und Seelen verteilen. »Und dreiundzwanzig auf Baffin Island, in der Nähe von Kap Adair.«
    Ihr Vater notierte sich etwas. »Foxe Basin?«
    »Bär hat inzwischen sicher etliche von ihnen besucht«, sinnierte Cassie halblaut.
    Die Wurfsaison war auf ihrem Höhepunkt. Ob es Totgeburten gegeben hatte? Bestimmt einige. Falls er gerade in Karaskoje Morje war und einen Ruf in der Tschuktschen-See spürte, konnte er es vielleicht nicht mal in Super-Geschwindigkeit schaffen. Sie sah ihn vor sich, allein im Schloss, trauernd um die Bärenjungen, die er nicht hatte retten können.
    Dad unterbrach seine Notizen. »Cassie, du musst nicht mehr über ihn nachgrübeln. Du bist hier sicher.«
    Nicht das schon wieder. Sie rang sich ein Lächeln ab und sagte bemüht lässig: »Er ist nicht gefährlich. Er ist nett.« Und lustig. Und es macht Spaß mit ihm.
    »Es ist eine ganz normale psychische Reaktion, dass Menschen sich mit ihren Entführern identifizieren«, entgegnete er. »Aber du bist jetzt wieder daheim. Und wir werden nicht zulassen, dass er dich noch einmal mitnimmt.«
    Dad war so verbohrt. »Weißt du, was Bär mal gemacht hat? Ich bin mit Halsschmerzen aufgewacht, und er brachte mir Frühstück ans Bett.« Naja, eigentlich war es eher ein Festessen gewesen. Pfannkuchen, Waffeln, Müsli. Niemand hatte ihr jemals zuvor Frühstück ans Bett gebracht. »Und den restlichen Vormittag über hat er mir Geschichten erzählt, damit ich nicht reden musste und mich trotzdem nicht langweilte.« Ein paar davon hatte er ihr sogar vorgespielt . Sie hatte trotz der Halsschmerzen eine Menge gelacht. »Hört sich das denn wirklich so schrecklich an?« Seit sie in die Station zurückgekehrt war, hatte sie nicht mehr solchen Spaß gehabt.
    »Das brauchst du mir alles nicht zu erzählen«, sagte ihr Vater. »Was auch immer geschehen ist, du bist jetzt in Sicherheit und bei Menschen, die dich lieben.«
    Bär liebt mich auch, dachte sie und sagte laut: »Er ist kein Monster.«
    Gail steckte den Kopf zur Tür herein. »Es ist nach Mitternacht«, sagte sie und lächelte ihr strahlendes Lächeln. »Würdet ihr beiden Workaholics jetzt bitte zu Bett gehen?«
    »Na, wollen wir es für heute gut sein lassen?«, fragte Dad übertrieben freundlich, als hätte er ein Kind vor sich.
    Cassie seufzte. Sie würde ihn ohnehin nicht überzeugen, auch wenn sie jetzt weiter mit ihm stritt. »In Ordnung.« Sie legte die Unterlagen auf den Schreibtisch und trottete hinter Dad und Gail her.
    An der Schlafzimmertür blieb ihr Vater stehen. »Das war gute Arbeit heute, Cassie.«
    Sie war sich da nicht so sicher. Bär tat mit einer einzigen Tour über das Eis mehr für die Eisbären, als sie es je könnte, selbst wenn sie ein ganzes Jahr lang Dreiecke in Karten eintrug.
    »Nacht!«, sagte Gail. Sie versuchte nicht, Cassie zu umarmen oder ihr einen Kuss zu geben. Das hatten sie beide in stillschweigendem Einverständnis nach einigen verkrampften Versuchen in den ersten Nächten aufgegeben. Die Kluft zwischen ihnen war einfach zu groß.
    Immerhin brachte Cassie ein halbherziges Winken zustande, während sie rückwärts in ihr Zimmer ging. Sie machte die Tür hinter sich zu. Die Stimmen ihrer Eltern verloren sich auf dem Gang, und dann schloss sich auch deren Tür.
    Cassie ließ sich auf ihr Bett fallen. Gelbliches Neonlicht spiegelte sich in Fotos, die ihr jüngeres Ich an die rohe Betonwand geklebt hatte. Sie drehte sich auf den Bauch, um die verblichenen Aufnahmen von Schneewehen und Bergspitzen zu betrachten. Dann streckte sie die Hand aus und strich die zerknitterte Ecke an einem der Bilder glatt. Dort hatte sie

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