Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Das müsste jemand mit viel Übung und Erfahrung machen …
Owen wartete, dass sie etwas erwiderte. Cassie lächelte ihn an. »Kannst du mir noch ein paar andere Dateien ausdrucken?«
Cassie rollte ihren Schlafsack und den sturmdichten Biwaksack zusammen und stopfte beide in das Fußteil ihres Rucksacks. Diesmal nahm sie für ihren Ausflug ins Eis die volle Expeditionsausrüstung mit. Sie fügte Päckchen mit gefriergetrocknetem Essen hinzu, Haferflocken, Nüsse und Trockenfrüchte. Falls ihr Plan aufging, würde sie Tag für Tag draußen auf dem Packeis sein – so, wie sie es immer gewollt hatte.
Während sie packte, wich ihr Vater ihr nicht von der Seite. Sein Gesicht glühte vor Zorn wie flüssige Lava. Er stieß ihr seinen Zeigefinger entgegen. »Du wirst nicht gehen. Und das ist mein letztes Wort.«
Cassie begutachtete ihren Sicherheitskocher und testete die Brennstoffpumpe. Sie würde sich nicht auf einen Streit mit ihm einlassen.
»Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du dein Leben ruinierst.«
»Das ist ganz allein meine Entscheidung.« Sie hielt ihre Stimme ruhig. Schließlich wusste sie nicht, wann sie ihren Vater wiedersehen würde. Sie wollte nicht im Zorn gehen.
Er packte sie am Arm. »Cassie, ich will doch nur dein Bestes.« Sie riss sich los, wandte ihm den Rücken zu und packte mit geübten Handgriffen weiter – schwere Gegenstände umwickelt mit Kleidung. »Ich weiß, ich treffe nicht die Entscheidungen, die du treffen würdest, aber … «
Roter Nagellack leuchtete auf, als Gail beschwörend die Hände hob. »Cassandra, du musst nicht gehen. Du hast mein Versprechen eingelöst. Er hat keine Macht mehr über dich.«
Cassie schüttelte energisch den Kopf. Sie ging nicht zurück wegen irgendwelcher Versprechen oder wegen Grams Geschichte oder um ihre Mutter zu retten. »Ich will zurück zu ihm«, sagte sie.
Wortlos überreichte ihr Owen einen Stapel ausgedruckter Datenblätter. Sie bedankte sich und packte sie ein. Als sie noch einmal über ihren Schreibtisch blickte, entdeckte sie einen Eisbohrer und steckte ihn in eine Seitentasche.
»Cassie.« Dad hatte die Stimme gesenkt. »Er ist noch nicht einmal ein Mensch. Du hast mir selbst erzählt, dass du nicht weißt, wie er aussieht, wenn er kein Bär ist. Du weißt nicht, was er ist.«
Sie würde nicht mit ihm streiten.
Wortlos marschierte sie quer durch das Labor ins Bad, schlug die Tür hinter sich zu und warf Zahnbürste, Deo und Shampoo in die Tasche. »Ich weiß ganz genau, was er ist«, sagte sie durch die geschlossene Tür. »Er ist Bär, und er ist mein Ehemann.« Sie durchforstete die Wandschränke, bis sie noch etwas Wichtiges gefunden hatte: Anti-Baby-Pillen. Sie stammten von einer Praktikantin, die vor Jeremy hier gearbeitet hatte. Cassie packte die Tabletten ein und zog den Reißverschluss zu.
Als sie die Tür wieder aufstieß, fuhr sie mit leiser Stimme fort: »Und übrigens, findest du nicht, dass das alles ein bisschen scheinheilig ist? Immerhin sagt es der Mann, der die Tochter des Nordwinds geheiratet hat.«
Dad klappte der Kiefer herunter. Er war sprachlos. Sie drängte sich an ihm vorbei. »Owen«, rief sie, »hast du irgendwo die restlichen Karten?«
»Einen Moment mal, junge Dame … « Dad lief ihr nach.
Max tauchte aus seinem Zimmer auf. »Was ist denn hier los? Cassie-Lassie?« Er folgte Cassie und ihrem Vater dorthin zurück, wo Gail immer noch stand. »Was tut sie denn da?«, fragte er.
»Ihre Zukunft ruinieren«, antwortete Dad.
»Meiner Bestimmung folgen«, korrigierte Cassie. Owen übergab ihr einen weiteren Packen Karten und trat nach einem schnellen Seitenblick auf ihren Vater sofort wieder den Rückzug an.
»Deine Zukunft liegt hier«, sagte der. »Hier hast du deine Familie. Deine Freunde. Du gibst alles auf, um bei diesem ›Ehemann‹ zu sein. Du gibst das College auf. Du gibst deine Ziele auf. Was ist mit deinen Plänen, eine professionelle Fährtenleserin zu werden? Du hast immer gesagt, dass du das willst.«
Cassie setzte ihre Mütze auf und zog den Reißverschluss ihres Anoraks zu. Ihre Armbeugen waren schweißnass. »Wie konnte ich nur glauben, du würdest es verstehen? Schließlich hast du deine Frau in einer Troll-Festung sitzen gelassen.«
»Verdammt noch mal, Cassie! Das hab ich doch für dich getan! Du warst gerade erst geboren. Ich musste dich beschützen. Ich konnte nicht einfach auf und davon bis zum Ende der Welt. Ich musste dir ein Vater sein!« Zur Bekräftigung seiner Worte
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