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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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sich in ihren Schlafsack hinein, so schnell sie konnte, und zog die Reißverschlüsse zu. Der Sturm kam immer näher. Er heulte wie eine Boeing 747. Cassie begann zu beten, und dann war er da.

Kapitel Siebzehn
    Geografische Breite: 87° 58 ' 23 " N
    Geografische Länge: 150° 05 ' 12 " W
    Höhe: 2,45 m
    Die Welt brach auseinander.
    Der Sturm malträtierte das Eis wie ein zorniger Gott. Er riss den Ozean auf und verschloss ihn krachend wieder. Eisplatten schoben sich über- und untereinander, reckten sich drohend dem schwarzen Himmel entgegen. Das Eis schrie.
    Cassie lag fest eingehüllt in ihrem zerbrechlichen Kokon. Ihre Welt war pechschwarz, inmitten der unechten Nacht auf Schlafsackgröße geschrumpft. Das Eis unter ihr erbebte. Die Zähne fest zusammengebissen, rollte sie sich zu einer Kugel zusammen, als könnte sie so das Eis am Auseinanderbrechen hindern.
    Ein gewaltiges Knirschen ertönte. Es klang, als würde der Meeresboden unter ihr von einem gigantischen Hobel abgeschliffen. Ihr Herz schlug bis zum Hals, kalter Schweiß drang aus allen Poren. Jede Sekunde konnte sich eine Spalte auftun, und Cassie würde auf Nimmerwiedersehen im Ozean versinken. Dad, Gail, Gram, sie alle würden niemals erfahren, was aus ihr geworden war.
    Der Wind packte ihren Schlafsack, und Cassie schlitterte wie wild im Uhrzeigersinn um die einzige Eisschraube, die ihn hielt. Cassie rollte sich in dem engen Gebilde herum und packte die Seiten aus straffem Nylon, die im Sturm flatterten wie ein loses Segel. Eine wütende Bö fuhr unter sie und schleuderte sie hart aufs Eis. Bei dem Aufprall stieß sie sich erst den Ellenbogen an, dann das Knie, dann die Hüfte.
    Mit dem zornigen Schrei einer Todesfee wechselte der Wind die Richtung. Wieder schlitterte Cassie in ihrem Kokon übers Eis. Diesmal jedoch gegen den Uhrzeigersinn. Die Eisschraube lockerte sich. Cassie schrie lautlos. Das Heulen des Sturms erstickte jedes andere Geräusch. Sie wand sich in der Enge ihres Schlafsacks. »Ich will hier raus! Bitte, lass mich raus!«, schrie sie und schluchzte hemmungslos.
    Mitsamt ihrem winzigen Gefängnis wurde Cassie hin und her geschleudert. Jedes Mal holte sie sich irgendwo eine neue Beule. Draußen tobte ein Inferno.
    Sekunden, Minuten, Stunden später zog der Sturm heulend nordwärts weiter. Stille legte sich über das Eis. Die Luft war voller Schnee. Cassie lag verrenkt in ihrem Schlafsack und wimmerte leise vor sich hin.
    Sie fiel in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte, sie wäre im Eis eingeschlossen. Bär wurde von mehr als zwei Meter großen Trollen gejagt, und sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Sie schrie, doch kein Laut drang aus ihrer Kehle. Einer der Trolle berührte Bär, der sich vor ihren Augen auflöste. Wieder schrie sie lautlos, dann stürzte der Troll sich auf sie – sein Gesicht eine groteske Maske aus sich bewegenden Schatten. Schreiend wachte sie auf, gebadet in Schweiß und Schwärze.
    Raus! Sie musste hier raus! Cassie fummelte am Reißverschluss ihres Schlafsacks. Sie konnte nicht atmen, nicht denken. Raus, raus, raus! Kälte strömte hinein, während sie sich hinauskämpfte.
    Sie kroch in eine surreale Weiße. Nichts war zu sehen: keine Farbe, kein Schatten, kein Boden, kein Himmel. »Hilfe! Hallo! Ist da jemand?«, rief sie aus Leibeskräften.
    Doch sie war mutterseelenallein inmitten der falschen weißen Nacht. Cassie tastete den Boden um sich herum ab und fand den Gurt, mit dem sie sich an ihrem Rucksack festgebunden hatte. Sie befreite ihn von einer dicken Eisschicht und zog den Rucksack zu sich heran. Zumindest ihn hatte sie in dem Inferno nicht verloren. Wie einen Teddybären drückte sie ihn liebevoll an sich. Schnee stob in den Kragen ihrer Vliesjacke und begann zu schmelzen.
    Diese eisigen Tropfen, die ihren Nacken hinunterrannen, überzeugten sie mehr als alles andere davon, noch am Leben zu sein. Ihr Lebenserhaltungstrieb setzte ein, und sie begann zu zittern. Schnell kroch sie zurück in den Schlafsack.
    Mehrere Stunden lag sie einfach nur da und stellte sich vor, wie ihre Gelenke steif wurden und die Muskeln wie bei einer Toten erstarrten. Sie malte sich aus, wie sie selbst zu der Skulptur wurde, die Bär von ihr gemacht hatte. Als sie die Augen schloss, konnte sie ihn vor sich sehen. Er hatte sie am Ärmel gefasst und führte sie in die Mitte des Gartens. Lachend folgte sie ihm, bis sie endlich das erblickte, was er ihr zeigen wollte: ihre eigene Skulptur. Er hatte sie aus dem Gedächtnis

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