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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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mausgrauen Farbe, die dünnes Eis anzeigte. Unter ihrem Gewicht bog sich die Eisdecke durch, und sie kraxelte weiter, während sie hinter ihr auseinanderbrach.
    Eisschollen hoben und senkten sich wie die Rücken von Seekühen. Aus der Tiefe drangen knirschende Geräusche nach oben. Es fiel ihr unglaublich schwer, konzentriert zu bleiben. Bär war nicht hier, um sie vor dem Erfrieren oder Ertrinken zu retten. Sie musste sich selbst helfen. »Tritt bloß nicht daneben«, flüsterte sie.
    Kälte drang ihr bis ins Mark. Ihr Blut floss nur noch träge durch die Adern. Sie setzte einen Fuß vor, und eine Eisscholle kippte hoch. Cassie warf sich nach vorne und packte die aufragende Spitze. Ihre Füße rutschten weg. Sie baumelte über schwarzem Wasser in der Luft.
    Die Eisbären schauten aufmerksam zu.
    Cassie zog die Beine an, und die Eisscholle kippte wieder nach unten. Sie hechtete zur nächsten Scholle. Ihre Beine klatschten spritzend ins Wasser, während die Scholle sich in die entgegengesetzte Richtung neigte. Ein Adrenalinstoß schoss durch ihren Körper, und scharfkantiges Eis zerschnitt ihre Gore-Tex-Hose, als sie sich mit einem gewaltigen Ruck aus den Wellen zog.
    Sie zwang sich aufzustehen. Die Kälte … sie brannte wie Feuer, schnitt wie mit Messern. In ihrem Kopf hörte Cassie die Stimme ihres Vaters Anweisungen schreien. Cassie warf ihren Rucksack ab. Sie ließ sich in den Schnee fallen und rollte sich wild hin und her, als ob sie ein Feuer löschen wollte. Der Schnee absorbierte das Wasser. Ihre Hosenbeine knirschten, als die äußere Schicht gefror.
    Sie musste in Bewegung bleiben. Wenn du dich bewegst, trocknet es, sagte die Stimme ihres Vaters. Unkontrolliert zitternd hob Cassie ihren Rucksack hoch und schleppte sich weiter über das trügerische Eis. Wind pfiff mitten durch sie hindurch. Sie wünschte, sie wäre im Schloss und das hier alles vorüber. Nein, sie wünschte, es hätte niemals begonnen. Sie hätte alles dafür gegeben, alles dafür getan, damit die Dinge wieder so wurden wie vorher. Bär, wo bist du? Sie vermisste ihn so sehr, dass der Schmerz ihren Magen zusammenpresste wie eine große Faust. Oder war es die Kälte? Oder der Hunger?
    Sie vermisste Bär mit jeder einzelnen Zelle ihres Körpers. Es spielte keine Rolle, was er für sie empfand. Ob er sie liebte oder nicht, es änderte nichts daran, was sie für ihn fühlte. Sie liebte ihn. Unabhängig davon, ob er sie liebte. Hätte sie das doch nur früher begriffen! Dann hätte sie niemals diese Taschenlampe angeknipst. Und sie wäre jetzt mit ihm zusammen.
    Meile um Meile ging sie weiter, Stunde um Stunde. Bald hüllte eine dicke Schicht Schnee sie wie ein Mantel ein. Ihre Schutzmaske formte den Umriss ihres Gesichts nach, klebte auf ihrer Haut. Anorak und Hose waren von einer schimmernden Eisschicht bedeckt. Ein großes Stück davon hatte sich um den Rand ihre Kapuze gelegt. Rinnsale von Eiswasser rannen an ihrem Hals hinunter. Selbst zwischen dem Futter ihres Anoraks und den Sachen, die sie darunter trug, hatte sich eine Eiskruste gebildet. Sie fühlte sich, als steckte sie in einer Zwangsjacke. Dicker Raureif bedeckte ihre Brille. Eisige Kälte fraß sich in ihre Gelenke. Jede Bewegung schmerzte. Die Hölle, dachte sie, hat rein gar nichts mit Feuer zu tun. Jeremy hat recht: Die Hölle besteht aus Eis.
    Sie konnte bereits Erfrierungen haben, das war ihr klar. Sie konnte bald tot sein. Erfroren. Getötet vom Eis, das sie so liebte. Trotzdem ging sie weiter und weiter, doch eher aus Gewohnheit jetzt, als dass es eine bewusste Entscheidung war. Sie bahnte sich ihren Weg durch das eisige Chaos, diese Ausgeburt des Sturms und des Mondes, der die Gezeiten bestimmte. Hügel warfen im Licht der tief stehenden Sonne lange Schatten, und die Flächen zwischen ihnen waren dunkelblau und kalt. Dort zitterte sie noch mehr. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als daran, wie kalt ihr war. Und an Bär. Immer wieder an Bär.
    Plötzlich erblickte sie weiter vorn einen Fleck, der warm und golden leuchtete. Sie versuchte, darauf zuzulaufen, so schnell sie konnte. Ihr leerer Magen krampfte sich zusammen. Sie presste die Hände auf den Bauch, verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorne. Sie wollte sich noch abfangen, aber ihre Arme bewegten sich wie in Zeitlupe. Sie hatte sie noch nicht mal halb oben, als sie auch schon der Länge nach hinschlug.
    Sie musste wieder aufstehen, in Bewegung bleiben. In Bewegung bleiben.
    Still zu liegen bedeutete den

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