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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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des Flusses und zog sich aus dem Wasser wie ein gestrandeter Wal. Das Baby in ihr krümmte sich protestierend. Sie lehnte sich auf einem Ellenbogen zurück und strich mit der anderen Hand sanft über ihren gewölbten Leib. »Zuerst ausruhen. Dann Phase zwei«, sagte sie liebevoll zu ihrem Kind.
    Einen Sumpf zu finden sollte nicht allzu schwierig werden. Im Gegenteil. Im Nördlichen Nadelwald war es schwerer, keinen zu finden, denn gerade jetzt, im Herbst, bildeten sich praktisch überall morastige Stellen. Cassie rieb sich die schmerzenden Hüften. Hier draußen in der kühlen Luft hatte sie überall Gänsehaut.
    Das Entscheidende kam erst nach dem Sumpf. Sie wusste genau, wo sie hinwollte. Was hatte die Espe gesagt? Einige Bäume, die ganz oben wachsen, können zu den Winden sprechen. Cassie dachte an das Mackenzie-Gebirge. Sie hatte es in der Ferne gesehen, als sie aus der Tundra kam. Aber der Weg dorthin …
    Halt! Immer schön eins nach dem anderen. Zuerst musste sie einen Sumpf finden und ihre Verfolger loswerden. Cassie glitt von dem Felsen herunter. Nach dem Aufenthalt in der kühlen Luft fühlte sich das Wasser fast warm an. Sie watete um den Felsen herum flussabwärts und ging in die Knie, bis die Wellen ihre Schultern umspülten. Dann hob sie die Beine an. Ihr gewölbter Bauch hielt den Körper über Wasser, und so trug sie der Fluss davon.
    »Charmant«, sagte Cassie, halb zu sich selbst, halb zu dem Sumpf. Dichter Dunst stieg von faulenden Farnen und Baumstämmen auf. Selbst in der Hölle konnte die Luft nicht feuchter sein. Oder schlechter riechen. Sie zog die Nase kraus. Der Sumpf verströmte den widerlich süßlichen Duft verrottender Pflanzen. »Wessen brillante Idee war das denn eigentlich?«, fragte sie laut.
    Cassie watete durch den übel riechenden Modder, der sich zwischen ihren Zehen hindurchquetschte und über ihre Füße sickerte wie geschmolzener Teer. Sie trat auf einen Haufen verfaulter Blätter und sank bis zu den Knien ein. Der Sumpf schmatzte, als sie ihren Fuß herauszog. Sie schnitt eine Grimasse. Es war beinahe unmöglich, tiefe Stellen zu erkennen. Ein falscher Schritt, und sie würde im Schlamm versinken.
    Cassie ließ ihren Blick über das Moor schweifen. Hier und da krallten sich verkrüppelte Fichten im Matsch fest wie kranke Vogelscheuchen auf einem längst verlassenen Acker. Wurzeln brauchen festen Boden , dachte sie. Um die Bäume herum wird der Schlamm flacher sein. Doch vielleicht gehörten diese hier zum Einflussbereich von Großvater Wald? Das Risiko wollte sie nicht eingehen. Aber ebenso wenig wollte sie in dem bodenlosen Morast versinken.
    Während sie hin und her überlegte, senkten sich Wolken von Moskitos auf sie herab, ergossen sich wie Regentropfen auf ihre ungeschützte Haut. »Blutsaugende Mistviecher«, schimpfte sie und schlug nach ihnen. »Das wird ja immer besser.« Sie fragte sich, ob ihre hektischen Bewegungen wohl die Aufmerksamkeit des Moskito-Munaqsri erregten. Alles hier kann ein Feind sein, dachte sie und hielt inne. Dann kam ihr eine Idee. Sie riss einen kräftigen Schössling aus dem Schlamm. Damit konnte sie gleichzeitig die Moskitos wegwedeln und die Tiefe des Morasts vor sich testen. Mit Hilfe dieses provisorischen Gehstocks kämpfte sie sich langsam vorwärts. Sank er weniger als zwei Fußbreit ein, watete sie weiter in die gleiche Richtung. Sank er mehr als zwei Fußbreit ein, ging sie woanders lang. Die Stellen, wo schwarzes Wasser glitzerte, versuchte sie gar nicht erst, denn dort wuchsen lila Orchideen und Kannenpflanzen und markierten eine bodenlose Tiefe. Cassie umging sie in weitem Bogen, immer die Angst im Nacken, sie könnte im Kreis laufen. Sie vermisste ihr GPS .
    Als die untergehende Sonne ihren blutroten Schein über den Horizont ergoss, vermisste sie auch ihre Wasserflasche, sogar noch mehr als das GPS . Sie befeuchtete ihre Lippen und schmeckte Schlamm. Ihre Kehle fühlte sich trocken an wie Sandpapier. Das Baby krümmte sich, und sie spürte seinen Ellenbogen an ihren Rippen. »Tut mir leid«, sagte sie und tätschelte ihren Bauch. »Es ist nicht sauber.« Im schwindenden Licht sah das Sumpfwasser aus wie Schokoladensirup.
    Irgendwann konnte sie nicht mehr weiter, weil die länger werdenden Schatten es unmöglich machten, zwischen harmlosen Tümpeln und bodenlosen Wasserlöchern zu unterscheiden. Als der Gürtel des Orion aus dem tiefen Blau des Firmaments zu leuchten begann, rollte sie sich auf einem Moosfleckchen zusammen.

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