Ice Ship - Tödliche Fracht
gebeten, Ihnen zu vertrauen. Ich hoffe, ich kann es. Ich würde es jedenfalls sehr gern.« Glinn senkte den Blick. Ein paar Sekunden lang fühlte er sich von seinen Gefühlen überwältigt. Sein Blick fiel auf den Radarschirm, auf die gepunktete grüne Linie, welche die Eisgrenze markierte. Dann sah er Britton wieder in die Augen. »Sie können sich auf mich verlassen, Captain. Ich werde eine Lösung finden. Ich verspreche es Ihnen.« Sie nickte bedrückt. »Ich schätze Sie nicht so ein, dass Sie leichtfertig etwas versprechen, das Sie nicht einhalten können. Wissen Sie, Mr. Glinn ... Eli – es gibt nur eines, was ich mir noch vom Leben erhoffe: dass ich meine Tochter noch einmal sehe.« Glinn hatte schon eine Antwort auf der Zunge. Aber dann brachte er doch nur einen verblüfften Zischlaut heraus. Plötzlich war ihm alles klar, Brittons persönliches Bekenntnis hatte ihn auf die richtige Spur gebracht. Auf einmal ahnte er, was Vallenar umtrieb. Er drehte sich abrupt um und verließ wortlos die Brücke.
Rolvaag
12.30 Uhr
Lloyd schritt ruhelos die Breite der Brücke ab. Vor den Fenstern tobte der Sturm mit entfesselter Gewalt, aber er sah gar nicht mehr hin. Noch nie im Leben hatte ihm etwas solche Angst gemacht. Was sich da draußen abspielte, hatte kaum noch etwas mit der gängigen Vorstellung von Meer und Wasser zu tun, es erinnerte eher an eine von Erdbeben erschütterte Gebirgslandschaft. Es war ihm ein Rätsel, wie die Rolvaag diesen Gewalten trotzen konnte – und das galt nicht nur für ihr Schiff, sondern für jedes andere. Doch die Rolvaag stampfte und schlingerte unbeirrbar weiter gen Süden. Es war schwierig und kraftraubend, auf der Brücke auf und ab zu gehen, aber er brauchte diese physische Anstrengung, sie lenkte ihn ab. Seit einer geschlagenen Stunde, seit Glinn die Brücke ohne irgendeine Erklärung verlassen hatte, tigerte er schon so hin und her. Es machte ihn krank, dass das Glück sie urplötzlich verlassen und die Stimmung sich so jäh verändert hatte. Dazu kam das unerträgliche Wechselbad der Gefühle während der letzten zwölf Stunden: erst der vermeintliche Triumph, dann der Eklat mit Glinn und schließlich nur noch das lähmende Gefühl, so etwas wie ein Kaninchen vor der Schlange zu sein. Er ließ den Blick über die anwesenden Offiziere schweifen. Am liebsten hätte er jeden Einzelnen an den Schultern gepackt, um eine Antwort aus ihm herauszuschütteln. Aber sie hatten ihm ja schon alles gesagt, was sie wussten: dass ihnen noch zwei Stunden blieben, bis sie in Reichweite der Waffen der Ramirez gelangten. Er hatte das Gefühl, sich vor Wut innerlich zu verkrampfen. Alles war Glinns Schuld. Seine Arroganz hatte ihnen das eingebrockt. Der Mann gefiel sich darin, stundenlang Optionen gegeneinander abzuwägen, und hielt sich dabei natürlich für unfehlbar. »Denk lange genug nach, dann wird dir schon was Abartiges einfallen«, hatte einmal jemand gesagt. Wenn Glinn ihm nicht strikt verboten hätte, rechtzeitig da und dort eine alte Dankesschuld einzufordern, wären sie gar nicht erst in diese missliche Lage geraten. Nun bekamen sie die Quittung. Sie saßen in der Falle. Die Tür der Brücke wurde geöffnet, Glinn trat ein und nickte freundlich nach allen Seiten. Diese Nonchalance gab Lloyd den Rest. »Himmeldonnerwetter noch mal, Glinn, wo, zum Teufel, haben Sie denn so lange gesteckt?« Glinn wandte sich zu ihm um. »Ich habe Vallenars Akte studiert. Ich weiß jetzt, was ihn umtreibt.« »Mein Gott, wen interessiert schon, was ihn umtreibt? Er treibt uns vor sich her, genau auf die Antarktis zu.« »Timmer war Vallenars Sohn.« Lloyd stutzte. »Timmer? Der Mann, der bei der Explosion im Tunnel getötet wurde? Das ist absurd. Er soll doch, wie ich gehört habe, blondes Haar und blaue Augen gehabt haben.« »Vallenar hat ihn mit seiner deutschen Geliebten gezeugt.« »Ist das wieder so eine Ihrer Vermutungen oder haben Sie diesmal Beweise?« »Über einen Sohn steht nichts in der Akte, aber es ist die einzig mögliche Erklärung. Deshalb lag ihm so viel an ihm. Und deshalb ist er auch anfangs davor zurückgeschreckt, uns unter Beschuss zu nehmen. Ich hatte ihm erzählt, Timmer säße in unserer Arrestzelle. Aber als wir dann abgelegt hatten, wusste er, dass Timmer tot sein musste. Ich nehme an, er glaubt, dass wir ihn ermordet haben. Deshalb hat er uns bis in internationale Gewässer verfolgt. Und deshalb wird er, so lange er lebt, nie Ruhe geben. Oder, wenn Sie so wollen: solange
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