Ice Ship - Tödliche Fracht
auf dem Festland sitzt?« »Von meinem Kommandanten, Sir.« »Aha. Und wer ist Ihr Kommandant?« »Sie, Sir.« »Dann weiß ich nicht, was es noch zu diskutieren gibt.« Vallenar kramte eine Streichholzschachtel aus der Tasche, nahm ein Wachshölzchen heraus, riss es an und zündete sich sorgfältig seine Zigarre an.
»Sir, ich bitte um Entschuldigung, aber Ihre Erklärungen sind unbefriedigend. Mehrere unserer Männer haben bei der Reparatur der Schrauben ihr Leben verloren. Wir ersuchen Sie respektvoll, uns mitzuteilen, wie unser Auftrag lautet.« Das war der Moment, in dem Vallenar sich voll zu ihm umwandte. Er spürte, wie sich die Wut in ihm aufstaute – Wut auf die arroganten Amerikaner und besonders auf diesen Mann, der sich Glinn nannte und sich unter dem Vorwand eines Höflichkeitsbesuchs bei ihm eingeschlichen hatte, damit seine Taucher ungestört Sprengladungen an den Schrauben des Zerstörers anbringen konnten ... Wut über Timmers Tod ... Und jetzt auch noch Wut auf diesen unverschämten Frechling, der es wagte, seine Entscheidungen in Frage zu stellen. Er zog an der Zigarre, pumpte sich den Rauch in die Lungen und merkte, wie das Nikotin sein Blut in Wallung brachte. Als er sich wieder im Griff hatte, warf er das Streichholz weg und nahm die Zigarre aus dem Mund. Dieser Oficial de guardia war ein dummer Grünschnabel. Dass so einer die Frechheit besaß, ihn herauszufordern, überraschte ihn nicht. Er sah die anderen Offiziere der Reihe nach an. Wie erwartet, senkten sie alle rasch den Blick. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Vallenar seine Pistole und drückte sie Santander an die Brust. Und als er den Mund auftat, um zu protestieren, drückte er ab. Die Wucht des Geschosses schleuderte den Wachoffizier gegen ein Schott. Er starrte ungläubig auf seine klaffende Brustwunde und den Blutstrahl, der im Rhythmus seines Herzschlags horizontal nach vorn schoss. Dann brach er auf die Knie, kippte mit aufgerissenem Mund nach vorn und verdrehte die weit aufgerissenen, aber schon glasigen Augen. Vallenar schob die Pistole ins Holster zurück. Das einzige Geräusch auf der Brücke waren Santanders röchelnde Atemzüge. Vallenars Blick suchte die Runde der anwesenden Offiziere ab. »Señor Aller, Sie übernehmen mit sofortiger Wirkung die Pflichten des Wachoffiziers – und Sie, Señor Lomas, die von Señor Aller. Der neue Kurs ist Ihnen bekannt, Ausführung.« Aller und Lomas verständigten sich rasch mit einem Blick, der neue Brückenoffizier gab die Order an den Rudergänger weiter, und der bestätigte: »Rechtes Ruder fest, auf Kurs eins-acht-null gehen.« Vallenar nahm die Hand von der Waffe. Schlag dem Aufruhr den Kopf ab, dann erstickt der Rest von allein. Das Schiff begann sich langsam breitseits zur See zu drehen, unterstützt von meterhohen Wellen, die es mit der Wucht jedes Aufpralls ein Stück weiter herumschoben. Als das Rollen und Schlingern immer schlimmer wurde, mussten die Männer auf der Brücke nach einem Haltetau greifen oder sich irgendwo abstützen, um sich auf den Beinen halten zu können. »Neuer Kurs liegt an«, meldete der Rudergänger mit brüchiger Stimme. »Eins-acht-null konstant.« »Verstanden«, bestätigte der Brückenoffizier. Comandante Vallenar beugte sich über den Trichter der Sprechanlage. »Radarwache – geschätzte Zeit, bis der amerikanische Tanker in Reichweite unserer Vickers gelangt?« Einen Augenblick später kam die Rückmeldung: »Beim gegenwärtigen Kurs und gleich bleibender Geschwindigkeit in drei Stunden und dreißig Minuten, Sir.« »Sehr gut.« Vallenar richtete sich auf und deutete mit dem Daumen auf den sterbenden Mann zu seinen Füßen. »Señor Sanchez, lassen Sie das entfernen und das Brückendeck anschließend gründlich reinigen.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit der tobenden See zu.
Rolvaag
11.30 Uhr
Glinn stand reglos in der Nähe des Ruders, dicht neben Britton. Auf ihrer Flucht über den sechzigsten Breitengrad in die »Heulenden Sechziger« hatte die Rolvaag sich ihren Weg quer zu den von stürmischem Westwind getriebenen haushohen Wellenbergen gebahnt. In der letzten Stunde, als der Sturm noch an Stärke gewonnen hatte, hätte man meinen können, das Schiff sei von einer Wasserwüste umschlossen, deren Konturen sich – wie Wanderdünen – ständig veränderten, so dass es unmöglich wurde, eine Trennungslinie zwischen Meer und Luft auszumachen. Sturm und See schienen all ihre Kräfte zu vereinen, um das Wasser zu Schaum und
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