Ice Ship - Tödliche Fracht
wir leben.« Die Wut war verflogen, Lloyd fühlte sich erschöpft. Ausgelaugt und niedergeschlagen. Sich jetzt noch aufzuregen war sinnlos. Und so klang seine Stimme recht beherrscht, als er fragte: »Und was nützen uns diese psychologischen Erkenntnisse, wenn Sie uns das freundlicherweise verraten wollen?« Statt zu antworten, erkundigte sich Glinn bei Captain Britton: »Wie weit sind wir noch von der Eisgrenze entfernt?« »Sie beginnt siebenundsiebzig Seemeilen südlich unserer Position.« »Können Sie auf dem Radar das Eis bereits erkennen?« Britton wandte sich stumm an Howell. Der Erste Offizier sagte: »Etwas Treibeis, zehn Seemeilen voraus. Und einige kleine Eisberge. Weiter südlich, hart an der Grenze des Eisgürtels, zeigt das Langstreckenradar eine große Eisinsel an. Das heißt, sie scheint auseinander gebrochen zu sein. Dem Radarbild nach handelt es sich um zwei Eisinseln mit einer schmalen Fahrrinne dazwischen.« »Kurs?« »Eins-neun-eins.« Glinn sagte: »Dann schlage ich vor, dass wir darauf zu halten. Drehen Sie sehr langsam bei, dann dauert es eine Zeitlang, bis Vallenar die Kursänderung bemerkt. Dadurch gewinnen wir vielleicht ein, zwei Meilen.« Howell sah Captain Britton fragend an. Sie wandte sich zu Glinn um. »Ein so großes Schiff wie dieses über die Eisgrenze hinaus zu steuern, und das auch noch bei diesem Wetter, ist Selbstmord.« »Es gibt gute Gründe dafür«, erwiderte Glinn. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns zu erklären, welche das genau sind?«, fragte Lloyd scharf. »Oder wollen Sie uns weiter im Dunkeln lassen? Vielleicht wären wir gemeinsam zu besseren Entscheidungen gekommen.« Glinn sah ihn lange an, dann huschte sein Blick zu Britton und Howell hinüber. »Das muss ich zugeben«, meinte er, »uns bleiben jetzt noch zwei Möglichkeiten: abdrehen und versuchen, den Zerstörer abzuhängen, oder unseren Kurs beibehalten, die Eisgrenze überschreiten und darauf hoffen, dass der Zerstörer uns verliert. Die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns liegt bei der ersten Option bei fast hundert Prozent, bei der zweiten Option ist sie etwas geringer. Zudem hat die zweite Option den Vorteil, dass wir den Zerstörer zwingen, uns in schwere See zu folgen.« Lloyd runzelte die Stirn. »Was ist das eigentlich – diese Eisgrenze?« »Der Breitengrad, an dem das eistragende Wasser rings um die Antarktis auf das wärmere des Atlantiks und Pazifiks trifft. Die Wissenschaft spricht von der antarktischen Annäherung. Eine Region, die für ihre undurchdringlichen Nebelbänke und gefährliche Eisinseln berüchtigt ist.« »Und Sie schlagen vor, die Rolvaag in so eine Region zu steuern? Das hört sich in der Tat nach Selbstmord an.« »Was wir jetzt brauchen, ist eine Verschleierungstaktik, die uns einen so großen Vorsprung verschafft, dass wir versuchen können, dem Zerstörer im Schutz der Dunkelheit, des Eises und des Nebels auf neuem Kurs zu entkommen.« »Wir könnten dabei aber auch absaufen, oder?« »Die Wahrscheinlichkeit, einen Eisberg zu rammen, ist geringer als die, von dem Zerstörer versenkt zu werden.« »Und wenn es keinen Nebel gibt?«, wandte Howell ein. »Dann haben wir ein Problem.« Langes Schweigen lastete über der Brücke, bis Britton in entschlossenem Ton sagte: »Mr. Howell, setzen Sie als neuen Kurs eins-neun-null. Und achten Sie drauf, den Bug sehr langsam herumzubringen.« Howell schien für den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, dann gab er die Weisung an den Rudergänger weiter. Aber sein Blick ruhte starr auf Glinn.
Rolvaag
14.00 Uhr
McFarlane rutschte seufzend auf dem unbequemen Plastikstuhl nach hinten und rieb sich die Augen. Rachel saß neben ihm, knackte Erdnüsse und ließ die Schalen auf den Metallboden der Überwachungsplattform fallen. Der Zentraltank war eine riesige, in Dunkel gehüllte Höhle; das einzige Licht kam von den Monitoren über ihnen. »Wird dir das nicht langsam zu langweilig, dauernd diese blöden Erdnüsse auszupellen?«, fragte er. Rachel schien einen Moment darüber nachzudenken, dann sagte sie lapidar: »Nö, eigentlich nicht.« Sie verfielen wieder in Schweigen. McFarlane merkte, dass die nagenden Kopfschmerzen und das flaue Gefühl in der Magengegend immer schlimmer wurden. Er schloss die Augen. Und genau in diesem Moment wurde das Schlingern und Rollen noch stärker. Er hörte das leise Klicken von Metall und ein konstantes Sickergeräusch. Ansonsten war es in dem großen hohlen Tankraum, der unter ihnen gähnte, geradezu
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