Ice Ship - Tödliche Fracht
das zu einer höchst gefährlichen Destabilisierung des Schiffes führen. Unsere Balkenkonstruktion hält den Meteoriten nicht nur fest, sondern gleicht auch – ähnlich wie Rohöl – vorübergehende Gewichtsverlagerungen aus.« »Beeindruckend«, sagte Britton. »Haben Sie dabei auch die Gewichtsverlagerung des Schiffsrumpfes und der Innenwände berücksichtigt?«
»Ja, Dr. Amira ist ein Rechengenie. Sie hat geschlagene zehn Stunden vor einem Cray-T3D-Supercomputer verbracht, dann hatten wir das Ergebnis. Wir mussten uns natürlich auf die Überflugdaten stützen, die Berechnung bedarf also der Nachbesserung, sobald wir die Dimensionen des Steinbrockens genau kennen. Aber wenn wir den Meteoriten erst aus dem Boden geholt haben, bauen wir sowieso einen zweiten Stapelschlitten um ihn herum, und den müssen wir dann nur noch in den dort unten integrieren.« Lloyd nickte. »Und was machen die Männer dort hinten?« Er deutete auf eine nicht mehr im Lichtkegel der Natriumlampen liegende Stelle am hinteren Ende des Laderaums, wo eine Gruppe Arbeiter mit Schneidbrennern den Schiffsboden auftrennte. »Das wird der Notabwurf«, erklärte Glinn ungerührt. Lloyd sah ihn irritiert an. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie das durchsetzen können?« »Wir haben das bereits diskutiert.« Lloyd suchte nach vernünftigen Gegenargumenten. »Schauen Sie, wenn Sie mitten in einem Sturm den Schiffsboden öffnen, um den Meteoriten abzuwerfen, wird der verdammte Kahn erst recht sinken. Das muss doch jedem Idioten einleuchten.« Glinns graue, unergründliche Augen fixierten Lloyd. »Wenn der Schalter umgelegt ist, dauert es nicht einmal sechzig Sekunden, um den Tank zu öffnen, das Felsstück abzuwerfen und den Schiffsboden wieder hermetisch abzuschließen. In so kurzer Zeit sinkt der Tanker nicht, ganz egal, wie schwer die See ist. Im Gegenteil, das eindringende Wasser gleicht den plötzlichen Ballastverlust aus.« Lloyd starrte ihn an. Dieser Mann hatte tatsächlich nichts anderes im Sinn, als seine verdammten technischen Probleme zu lösen. Der unersetzliche Verlust des Meteoriten ließ ihn anscheinend völlig kalt. »Hören Sie«, sagte er mit bebender Stimme, »falls es jemand wagt, diesen Schalter umzulegen und meinen Meteoriten auf dem Meeresboden zu versenken, landet er ebenfalls dort, das verspreche ich Ihnen.« Captain Brittons helles Lachen übertönte sogar den Lärm auf der Baustelle tief unter ihnen. »Vorläufig gehört der Meteorit niemandem, Mr. Lloyd, vergessen Sie das nicht«, sagte sie schmunzelnd. »Und bevor er Ihr Meteorit werden kann, müssen wir noch eine Menge Wasser hinter uns lassen.«
An Bord der Rolvaag
26. Juni, 0.35 Uhr
McFarlane schlüpfte durch das schmale Schott, zog es sorgsam hinter sich zu und trat aufs Peildeck. Es war der höchste Punkt der Schiffsaufbauten: ein Gefühl wie auf dem Dach der Welt. Der Atlantik lag gut dreißig Meter unter ihm, ruhig und friedlich, im Sternenlicht wie mit Silber bestäubt. Eine sanfte Brise trug den würzigen Geruch des Meeres und ferne Möwenschreie zu ihm heran. Er trat an die vordere Reling und hielt sie mit beiden Händen umklammert. Dieses Schiff sollte also während der kommenden Monate sein Zuhause sein. Direkt unter ihm befand sich die Brücke, zwei Stockwerke darunter, im A-Deck, kamen die Kabinen, und noch einmal sechs Stockwerke tiefer erstreckte sich das Hauptdeck. Das Bootsdeck, achtern unter dem A-Deck gelegen, hatte Glinn aus rätselhaften Gründen völlig frei gehalten. In wenigen Minuten wurde er beim Mitternachts-Lunch erwartet, dem ersten formellen Essen an Bord. Aber vorher hatte er unbedingt noch hier oben stehen wollen, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich in See gestochen waren. Er atmete tief ein, um nach den hektischen letzten Tagen, in denen sie die Labors eingerichtet und die Geräte für die Beta-Tests justiert hatten, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er umfasste die Reling fester, ein Glücksgefühl durchrieselte ihn. Gar nicht so schlecht, dachte er. Sogar chilenische Gefängniszellen verloren ein wenig von ihrem Schrecken, wenn Lloyd mit all seinem Einfluss hinter einem stand. Egal, was Nestor Masangkay auf der Insel gefunden hatte und ob sie am Ende der Reise mit vollen oder leeren Hände zurückkamen, Hauptsache, sie waren unterwegs. McFarlane drehte sich um und machte sich auf zum Heck. Das schwere Stampfen der Maschinen drang nur ganz schwach bis zu ihm,
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