Ice Ship - Tödliche Fracht
steckte eine krumme, offenbar handgedrehte Zigarette, die er allem Anschein nach mit Genuss rauchte. »Ich glaube nicht, dass wir uns kennen«, sagte McFarlane sarkastisch. »Oh, dann darf ich mich vorstellen: Ich bin Eli Ishmael, Chefingenieur der Abbaugesellschaft.« McFarlane musterte ihn kopfschüttelnd. »Diese Maskerade macht Ihnen wohl auch noch Spaß.« Glinn nahm die zerknautschte Zigarette aus dem Mund, betrachtete sie einen Moment lang und warf sie dann ins eisige Meer. »Ein bisschen Spaß muss nicht zwangsweise inkompatibel mit Erfolgsorientierung sein.« McFarlane musterte ihn von oben bis unten. »Wo haben Sie die Klamotten eigentlich her? Sie sehen aus wie ein Kohlentrimmer auf Landgang.« »Ich habe mir, als wir im Trockendock lagen, einige Kostümberater aus Hollywood kommen lassen. Jetzt könnten wir ein paar Spinde mit dem Krempel füllen und sind für alle Eventualitäten gerüstet.« »Bleibt zu hoffen, dass wir keinen Gebrauch davon machen müssen«, meinte McFarlane. »Und wie lautet nun die genaue Marschorder?« »Das ist ganz einfach. Wir stellen uns den Leuten vom Zoll vor, zeigen ihnen unsere Schürfkonzession, hinterlegen die übliche Kaution und machen uns auf die Suche nach John Puppup. Am besten sagen Sie gar nichts, aber falls jemand Englisch spricht und Sie etwas gefragt werden, erklären Sie, dass wir eine Gruppe Fachleute sind, die hier nach Eisenerz suchen will. Wenn Sie sich lange genug geziert haben, können Sie zugeben, dass das unser letzter Strohhalm ist, weil unsere Firma kurz vor dem Bankrott steht. Und falls beim Zoll etwas unglücklich läuft, gehorchen Sie einfach Ihrem natürlichen Instinkt.« McFarlane lachte kurz auf. »Mein natürlicher Instinkt rät mir in solchen Fällen, schleunigst abzuhauen.« Er zögerte einen Moment. »Was ist mit unserem Captain? Glauben Sie, Britton steht das durch?« »Wie Sie sicher bemerkt haben, ist sie eine Ausnahme unter den Hochseekapitänen.« Wie aufs Stichwort schwang die Kabinentür auf, Captain Britton trat aufs Deck. Sie trug alte Jeans, eine ausgeleierte Jacke und eine zerknautschte, mit drei goldenen Streifen verzierte Seemannsmütze, um ihren Hals baumelte ein Fernglas. Es war das erste Mal, dass McFarlane sie nicht in ihrer frisch gestärkten Kapitänsuniform sah, und er musste sich im Stillen eingestehen, dass sie einen erfrischenden und zugleich verführerischen Anblick bot. Glinn schmunzelte. »Darf ich Ihnen ein Kompliment zu Ihrem Aussehen machen?« Noch etwas, das für McFarlane neu war: Er hatte aus Glinns Mund noch nie ein anerkennendes Wort gehört. Britton lächelte etwas verkniffen. »Dürfen Sie nicht. Es ist mir ein Gräuel, so herumzulaufen.« Als sie um die Nordspitze von Navarino bogen, tauchten in der Ferne die Umrisse eines Stahlkolosses auf. »Mein Gott«, staunte McFarlane, »sehen Sie mal – was für ein riesiger Pott! Da müssen wir gehörigen Abstand halten, damit wir in seiner Kielwelle nicht kentern.« Britton hatte schon das Fernglas vor den Augen. »Nicht nötig«, meinte sie. »Der Pott, wie Sie ihn nennen, macht keine Fahrt.« Und tatsächlich, der Bug des Schiffes zeigte zwar genau auf ihr Boot, schien aber nicht näher heranzukommen. Die Mastbäume wirkten kahl und windschief. Offensichtlich hatten sie ein mitten im Kanal gestrandetes Geisterschiff vor sich. Glinn ließ sich von Britton das Fernglas geben. »Comandante«, las er vom Bug ab, »ein Frachter. Er muss auf eine Sandbank gelaufen sein.« »Kaum zu glauben, dass ein Schiff dieser Größe in so ruhigem Gewässer stranden kann«, wunderte sich McFarlane. »Der Sund liegt nur bei nordwestlichem Wind so ruhig da, heute zum Beispiel«, erklärte ihm Britton. »Wenn der Wind auf West dreht, verwandelt er den Kanal in einen Windtunnel. Möglicherweise hat das Schiff zu allem Übel auch noch einen Maschinenschaden gehabt.« Sie starrten stumm zu dem Wrack hinüber. Es schien, obwohl die Sicht an diesem Morgen klar war, in eine Dunstglocke gehüllt zu sein. Nichts rührte sich, sogar die Seevögel machten offenbar einen Bogen um den rostigen Schrotthaufen. Irgendwie schlug sich das trostlose Bild allen aufs Gemüt. Der Bootsführer legte Fahrt zu, als wollte er das Wrack so schnell wie möglich passieren. Schließlich lag es hinter ihnen, sie bogen in den Beagle-Kanal ein. Scharfkantige Felsen ragten drohend und abweisend aus dem Wasser, in den Spalten und Schluchten fanden sich Schneefelder oder Gletscher. Ein scheußlicher, steifer Wind
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