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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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rüttelte das Boot durch. Glinn deutete nach rechts. »Da drüben liegt argentinisches und links chilenisches Hoheitsgebiet.« Captain Britton griff nach dem Knauf der Kabinentür. »Ich verkrieche mich lieber nach drinnen.« Eine Stunde später tauchten aus dem grauen Licht der Hafenbucht die Konturen von Puerto Williams auf: eine Ansammlung ärmlicher Holzhäuser, gelb gestrichen und mit roten Dächern, die sich in eine Senke duckten. Dahinter ragten Berge mit weißen, scharf geschnittenen Gipfeln auf. Im Vordergrund sah man verfallene Piers im Meer. Ein paar hölzerne Schleppkähne und Fischerboote hatten im Hafen festgemacht. Etwas abseits war das Barrio de los Indios auszumachen: aus Brettern zusammengenagelte Hütten mit behelfsmäßigen Blechschloten, über denen sich dünner Rauch kräuselte. Hinter ihnen erstreckte sich die so genannte Marinebasis: eine Reihe von Wellblechgebäuden, das war alles. Nicht weit davon waren an der Pier zwei Tender und ein betagter Zerstörer vertäut. Binnen weniger Minuten verdunkelte sich der eben noch strahlend helle Morgenhimmel. Als das Boot eine der Holzpiers ansteuerte, stieg ihnen der Geruch von verfaultem Fisch, stinkenden Abwassern und verrottetem Seetang in die Nase. Aus den umliegenden Hütten kamen eilends drei Männer herbei. Gestikulierend, laut rufend und schon mit dem Seil in der Hand versuchten sie, das Boot an eine ganz bestimmte Anlegestelle zu lotsen – allerdings jeder an eine andere. Als es schließlich anlegte, fingen zwei von ihnen lautstark an zu debattieren, wem nun das Trinkgeld zustehe. Glinn schlichtete den Streit, indem er jedem der Männer ein paar Zigaretten zusteckte. Glinn, Britton und McFarlane stiegen aus dem Boot, kletterten auf die rutschigen Planken und warfen einen Blick auf das gottverlassene Nest, das da vor ihnen lag. Ein paar Schneeflocken verirrten sich auf McFarlanes Parka. »Wo ist das Zollbüro?«, fragte Glinn einen der Männer auf Spanisch, worauf alle drei wie aus einem Munde antworteten: »Ich bringe Sie hin.« Die Frauen mischten sich nicht in das Gerangel um den Job als Fremdenführer ein. Sie saßen dicht gedrängt beieinander, jede mit zwei, drei Plastikeimern voller Seeigel, Muscheln und congrio colorado, aber auch sie schubsten und drängten sich gegenseitig weg, weil jede die andere ausstechen und den Fremden als Erste einen nicht mehr ganz frischen Schellfisch unter die Nase halten wollte. »Seeigel«, pries eine Frau mit dem faltigen Gesicht einer Siebzigjährigen und nur einem einzigen, dafür aber erstaunlich weißen Zahn ihre Ware an. »Ist sehr gut für Mann. Macht ihn hart. Muy fiierte.« Sie demonstrierte unter dem zotigen Gelächter der Männer mit hoch gerecktem Unterarm, wie segensreich ihre Seeigel sich angeblich auswirkten. »Nein, danke, Señora«, wehrte Glinn ab und bahnte sich, immer hinter den drei selbst ernannten Fremdenführern her, einen Weg durch die Marktfrauen. Sie gingen die Pier hinauf, auf die Marinebasis zu, bis zu einem niedrigen holzverkleideten Haus. Aus dem einzigen Fenster fiel helles Licht, aus dem dünnen Blechrohr auf dem Dach drang der würzige Geruch eines Holzfeuers, neben der Tür hing eine ausgebleichte chilenische Fahne. Glinn drückte ihren drei Führern Geld in die Hand und stieß die Tür auf. Britton folgte ihm, McFarlane trat als Letzter ein. Er pumpte sich die Lungen mit kalter Luft voll und versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es höchst unwahrscheinlich sei, in dieser abgelegenen Zollstation auf jemanden zu treffen, der sich noch von der Atakama-Geschichte her an sein Gesicht erinnerte. Der Büroraum entsprach mit dem zerkratzten Tisch, dem schwarzäugigen Beamten dahinter und einem bauchigen Ofen in der Ecke genau dem, was er erwartet hatte. Es war eine Tortur für seine Nerven, freiwillig das Büro einer chilenischen Behörde zu betreten, selbst wenn es am Ende der Welt lag. Er schielte verstohlen auf die verblichenen Fahndungsfotos an der Wand. Bloß keine Panik, redete er sich gut zu. Der Leiter der Zollstation – in makelloser Uniform, das pomadisierte Haar straff nach hinten gekämmt – ließ eine Reihe von Goldzähnen sehn, als er sie lächelnd mit sanfter, weibisch anmutender Stimme auf Spanisch bat: »Bitte nehmen Sie Platz.« Die demonstrativ guten Manieren, die er zur Schau stellte, wirkten in dieser schäbigen Umgebung ein wenig aufgesetzt. Die lauten, nach einem hitzigen Streit klingenden Männerstimmen aus dem Hinterzimmer verstummten.

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