Ice Ship - Tödliche Fracht
Mikrofon. »Mr. Lloyd? Eli Glinn. Wir erledigen morgen die Zollformalitäten. Dr. McFarlane, Captain Britton und ich lassen uns mit einem Boot nach Puerto Williams übersetzen, damit wir den Chilenen die Schiffspapiere vorlegen können.« »Ist das nötig?«, fragte Lloyd. »Warum müssen Sie zu dritt dort aufkreuzen?« »Lassen Sie mich kurz die Situation erklären. Das erste Problem könnte sich dadurch ergeben, dass die Leute vom Zoll möglicherweise an Bord der Rolvaag kommen wollen.« »Mein Gott!«, rief Lloyd entsetzt. »Da fliegt der Schwindel mit dem alten Seelenverkäufer doch sofort auf!« »Könnte sein. Darum wollen wir versuchen, diesen Besuch zu verhindern. Wie ich die Chilenen einschätze, legen sie Wert darauf, die Leute kennen zu lernen, die an Bord etwas zu sagen haben. Schicken wir ihnen die zweite oder dritte Garnitur, kommen sie also mit Sicherheit an Bord.« »Wie ist das mit mir?«, fragte McFarlane. »Ich gelte in Chile als persona non grata, wie Sie sehr wohl wissen. Ich denke, es ist besser, wenn ich mich möglichst bedeckt halte.« »Tut mir Leid«, erwiderte Glinn, »aber Sie sind die Trumpfkarte, die wir in der Hinterhand haben.« »Wieso das?« »Sie sind als Einziger schon mal in Chile gewesen und haben Erfahrung mit kritischen Situationen. Und darauf könnten wir angewiesen sein, falls die Dinge – was ich für sehr unwahrscheinlich halte – eine unvorhergesehene Wende nehmen.« »Na wunderbar. Ich glaube nicht, dass ich für so ein Risiko gut genug bezahlt werde.« »O doch, das werden Sie wohl«, warf Lloyd gereizt ein. »Aber, Eli, was ist, wenn die Kerle trotzdem an Bord kommen wollen?« »Für diesen Fall haben wir einen speziellen Empfangssalon vorbereitet.«
»Salon, sagen Sie? Das fehlt gerade noch, dass die sich bei uns häuslich einrichten.« »Dazu dürften sie wenig Lust haben. Sobald sie an Bord sind, werden sie zum vorderen Kontrollraum für die Tankwaschung eskortiert. Den haben wir mit einem kleinen Kunststofftisch und ein paar Stühlen ausstaffiert, die Heizung ist abgestellt.Übrigens wird es ihnen schon auf dem Weg dorthin im wahrsten Sinne des Wortes stinken: Wir haben nämlich einen Teil des Decks mit einer chemischen Reinigungsflüssigkeit behandelt, die ein wenig nach Exkrementen und Erbrochenem riecht.« Lloyd lachte. »Geb’s Gott, Eli, dass Sie nie wieder militärische Einsätze planen. Aber was ist, wenn sie darauf bestehen, sich die Brücke anzusehen?« »Für den Fall haben wir auch eine Strategie entwickelt. Verlassen Sie sich drauf, Palmer, wir kriegen das so hin, dass das Thema Zoll nach unserem Besuch in Puerto Williams abgehakt ist. Die Burschen werden nicht den Wunsch haben, an Bord zu kommen, geschweige denn auf die Brücke. Ehe ich’s vergesse: Dr. McFarlane, Sie sprechen ab sofort kein Spanisch mehr, so dass Sie das Reden wohl oder übel Captain Britton und mir überlassen müssen.« Einen Augenblick lang herrschte auf dem Funkkanal Stille, dann sagte Lloyd: »Sie haben vorhin von unserem ersten Problem gesprochen. Gibt’s noch ein anderes?« »Ja. Noch eine Kleinigkeit, um die wir uns kümmern müssen, solange wir in Puerto Williams sind.« »Darf ich erfahren, worum es geht?« »Ich beabsichtige, die Dienste eines gewissen John Puppup in Anspruch zu nehmen. Wir werden uns bemühen, ihn aufzuspüren und an Bord zu holen.« Lloyd stöhnte gequält. »Es scheint Ihnen Spaß zu machen, eine Überraschung nach der anderen aus dem Hut zu zaubern, Eli. Wer ist dieser Puppup, und wieso brauchen wir ihn?«
»Er ist halb Yaghan und halb Engländer.« »Und was, zum Teufel, ist ein Yaghan?« »Die Yaghan-Indianer waren die Ureinwohner der Kap-Hoorn-Inseln. Sie wurden ausgerottet, nur ein paar Mestizen sind übrig geblieben. Puppup ist einer der letzten lebenden Zeugen für die Ausrottung seines Volkes. Schon ziemlich alt, um die siebzig. Er kennt sich mit ein paar Dingen aus, die zum überlieferten Wissen der Ureinwohner gehören.« Wieder eine kleine Pause, dann meinte Lloyd. »Das hört sich nach ungelegten Eiern an, Eli. Sie sagten, Sie beabsichtigen, ihn zu engagieren. Weiß er das schon?« »Noch nicht.« »Und wenn er Nein sagt?« »Er wird keine Möglichkeit haben, Nein zu sagen. Haben Sie noch nie von der alten Marinetradition der Zwangsrekrutierung gehört?« »Sie wollen also der langen Latte an Gesetzwidrigkeiten auch noch einen Fall von Kidnapping hinzufügen?«, fragte Lloyd verstört. »Sie haben von Anfang an gewusst, dass das ein
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