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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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tatenloses Zuschauen dieses Gemetzel ermöglicht. Wie sagte der weise Kaiser Marcus Aurelius so treffend: »Oft tut auch der Unrecht, der nichts tut. Wer das Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.«
    Die dritte Möglichkeit: Der Chef duldet das Mobbing nicht nur, sondern macht es vor. Indem er Dora Berg selbst unterbricht, zeigt er: Sie darf unterbrochen werden! Indem er ihr minderwertige Aufgaben zuweist, sendet er das Signal: Sie ist minderwertig! Indem er sie vor der Gruppe giftig kritisiert, lädt er die anderen ein, ebenfalls Giftpfeile abzuschießen.
    Der Frankfurter Psychologe Prof. Dieter Zapf hat rund 400 Mobbing-Fälle analysiert und fand heraus: In sieben von zehn Fällen mischte ein Vorgesetzter mit. 79 Ein Mobbing ist kein Ufo, das aus heiterem Himmel kommt – sondern ein Ifo (Irrenhaus-Flugobjekt). Landen kann es nur dort, wo ihm verantwortungslose Vorgesetzte und eine unmenschliche Firmenkultur die Bahn freimachen.
    Â§ 33 Irrenhaus-Ordnung: Es gibt drei Gründe, warum sich ein Mitarbeiter gemobbt fühlen kann: weil er es sich einbildet, weil er es sich einbildet, weil er es sich einbildet.
    Die Jagd ist eröffnet!
    Â»Wie sieht das typische Mobbing-Opfer aus?«, wollte eine Interviewerin von mir wissen. Am liebsten hätte ich ihr einen Spiegel vor die Nase gehalten: »Zum Beispiel so!« Jeden kann es treffen. Gäbe es ein typisches Opfer, würde das bedeuten: Dieser Mensch macht etwas falsch. Als schriebe er sich selbst das Wort »Opfer« auf die Stirn. Aber ich habe das schon hundertfach verfolgt: Man kann alles richtig machen und doch gemobbt werden. Mit dem Mobbing ist es wie mit Schimmel an einer Kellerwand: Will man ihn loswerden, sollte man nicht nur den Schimmel beseitigen, sondern vor allem das Klima, in dem er wächst.
    Und unmenschliche Firmenkulturen, wie sie Irrenhäuser kennzeichnen, neigen zu Mobbing.
    Etliche Firmen führen sich an den Märkten wie Kriegsparteien auf: Ein Wettbewerber, der nicht fusionieren will, wird durch »feindliche Übernahme« erobert. Einem Konkurrenten werden per Gerücht »Liquiditätsprobleme« unterstellt. Man zieht in die »Anzeigen-Schlacht«, jagt sich per Kopfjäger (»Headhunter«) – sprich Personalvermittler – die besten Mitarbeiter ab und fällt in ausländische Märkte ein, als wäre die Wehrmacht wieder auferstanden. Jedes Mittel ist recht, um die Schlacht am Markt zu gewinnen. 80
    Dieser dauerhafte Krieg, der unter der Flagge des Kapitalismus tobt, pflanzt sich bis unter die Firmendächer fort. Die Beförderungssysteme sind oft so angelegt, dass Aspiranten wie Sklaven in einer Arena gegeneinander kämpfen. Vor allem die knallharten Typen arbeiten sich in Führungspositionen hoch. In ihren plutokratischen Irrenhäusern haben sie gelernt, dass der Gewinn alles und die Moral nichts ist.
    Und bringt es nicht auch Geld, wenn man ältere Mitarbeiter (die viel verdienen) vor die Tür schubst und jüngere (die wenig verdienen) dafür einstellt? Oder wenn man die junge Mutter, die oft durch ihr krankes Kind verhindert ist, so lange schikaniert, bis sie kündigt und durch eine kinderlose Mitarbeiterin ersetzt werden kann? 81
    Vorgesetzte werden in Irrenhäusern nach dem Prinzip des Profit-Centers bezahlt: Ihre Prämie hängt davon ab, was ihre Abteilung erwirtschaftet. Wer es schafft, die Zahl seiner Mitarbeiter bei gleichbleibender Produktivität zu senken, verdient mehr.
    Doch bei Entlassungen gelten die Regeln der Sozialauswahl: Der ältere, langjährige Mitarbeiter ist bessergestellt als der jüngere. Wer Alte entlässt, muss oft hohe Abfindungen zahlen. Der Ausweg: Statt den Mitarbeiter selbst zu liquidieren, sorgt der Vorgesetzte dafür, dass dieser einen Arbeitsvertrag-Suizid begeht und selbst kündigt.
    Und wie bringt man einen Mitarbeiter dazu, seine Rechte aufzugeben? Man macht ihm die Hölle so lange heiß, bis er nur noch einen Gedanken kennt: Er will raus aus diesem Irrenhaus!
    Das zuverlässigste Mittel ist ein anhaltendes Mobbing. Der Chef hetzt seine Mitarbeiter wie Jagdhunde auf ein Opfer. Welche Tricks kommen bei einer solchen Treibjagd zum Einsatz? Und in welchen Schritten kann ein Mobbing ablaufen? Hier ein Fall aus der Praxis:
    Schritt 1: Die Jagd wird eröffnet
    Peter Zeisel (53) war vier Wochen krankgeschrieben, weil ihn eine chronische Bronchitis plagte. Nun ist er

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