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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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entlastet. Der Wert meiner Arbeit war eindeutig gestiegen.
    Er hörte sich alles an und meinte dann: »Ihre Leistung ist einwandfrei, absolut! Sie sind fleißig, zuverlässig und haben eine positive Ausstrahlung.« Ich wusste schon, welches Wort als nächstes folgen würde: A b e r.
    Und tatsächlich: »Aber Sie verdienen deutlich besser als die jungen Kollegen. Da muss ich auf die Gehaltsstruktur achten. Was bekommen Sie noch mal im Moment? 2300 Euro?«
    Ich saß da, als hätte mich der Blitz getroffen. Wie kam er auf 2300? Ich hatte gerade mal schlappe 2000! Und wenn 2300 ein Gehalt war, das gut in die Struktur passte, dann waren 2000 doch ein unangemessener Hungerlohn!
    In beleidigtem Ton sagte ich: »Nein, ich bekomme nur 2000 Euro, das ist es ja gerade!«
    Seine Antwort: »Klar, 2000, das wollte ich sagen!«
    Er tat so, als hätte er sich versprochen – was natürlich nicht der Fall war. Aber was sollte ich tun? Mit ihm darüber streiten, ob er tatsächlich 2300 und damit 15 Prozent mehr für mich gemeint hatte?
    Ergebnis der Verhandlung: Ich blieb bei 2000 Euro kleben, mit der vagen Aussicht, beim nächsten Mal »einen Sprung zu machen«. Selten bin ich so geknickt aus einer Verhandlung gegangen. Ich fühlte mich nicht nur um eine Gehaltserhöhung, sondern zusätzlich um 300 Euro im Monat geprellt.
    Dass mein Chef nicht wusste, was ich verdient hätte, war mir vorher klar. Dass er nicht wusste, was ich tatsächlich verdiene, hat mich dann doch überrascht.
    Helga Riedel, Einzelhandelskauffrau
    Betr.: Wie ich Mindestlohn bekomme,
ohne ihn wirklich zu bekommen
    Offiziell verdiene ich als Reinigungskraft über acht Euro in der Stunde – so hoch liegt der gesetzliche Mindestlohn. Wenn ein Kontrolleur auf meinen Lohnstreifen schaute, würde er sagen: Alles in bester Ordnung. In Wahrheit verdiene ich aber nicht mal die Hälfte. Das ist möglich durch einen fiesen Trick.
    Ich bin Mutter und arbeite in Teilzeit für ein Reinigungsunternehmen, das mich für eine große Hotelkette einsetzt. Meine offizielle Arbeitszeit liegt bei zwei Stunden pro Tag. Doch man hat meine Arbeitsmenge so bemessen, dass sie in dieser Zeit nicht zu schaffen ist. Ich soll 15 Zimmer putzen. Für jeden Raum brauche ich mindestens 15 Minuten. Das bedeutet: Anstelle der zwei Stunden, für die ich bezahlt werde, bin ich jeden Tag rund vier Stunden im Einsatz.
    Natürlich habe ich anfangs bei meinem Chef protestiert, aber der sagte nur: »Es liegt an Ihnen, in welcher Geschwindigkeit Sie arbeiten.« Als würde ich bei der Arbeit dauernd Pausen einlegen oder wäre übertrieben gründlich. Das ist nicht der Fall. Zumal unsere Arbeitsqualität von der Hoteldirektorin geprüft wird. An einem meiner ersten Arbeitstage hat sie mich zurück in ein Zimmer gerufen. Sie trug einen weißen Stoffhandschuh, fuhr damit durch die Ecken im Badezimmer und schrieb die Tatsache, dass der Handschuh danach nicht mehr blütenweiß war, meiner mangelnden Gründlichkeit zu. Sie sagte: »Ihr Unternehmen wird gut bezahlt – ich erwarte von Ihnen, dass hier wirklich alles sauber ist.«
    Als ich auf die Zahl der Zimmer hinwies, die ich zu säubern hatte, sagte sie: »Das sind interne Vorgänge zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber. Darüber kann ich nicht urteilen.«
    Ich würde gerne wissen, was das Hotel meinem Chef pro Zimmer zahlt? Bei mir jedenfalls kommt die »gute Bezahlung« nicht an!
    Caroline Anders, Reinigungskraft
    Betr.: Wie mich mein Chef in der Gehaltsverhandlung reinlegte
    Â»Ich habe lange für Ihre Gehaltserhöhung gekämpft«, sagte mein Chef, »denn ich schätze Ihre Leistung. Aber mein eigener Vorgesetzter ist wirklich eine harte Nuss. Er sagt, die Etats seien im Moment leergefegt. Dieses Jahr herrscht Etatsperre, nichts zu machen.«
    Stattdessen brachte er mir einen Trostpreis mit: »Sobald die Etatlage sich bessert, sind Sie der Erste, der eine Gehaltserhöhung bekommt.« Dieses Versprechen klang gut, nur hatte ich es in den letzten Jahren schon zweimal gehört, ohne dass es sich je erfüllt hätte.
    Mir blieb nur ein Weg: Ich musste direkt mit demjenigen sprechen, der mein finanzielles Vorankommen blockierte, dem Chef meines Chefs. Zwei Tage später ergab sich die Gelegenheit: »Darf ich mit Ihnen noch mal unter vier Augen über Ihre Entscheidung

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