Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
sprechen?«
Er sah mich fragend an. »Welche Entscheidung?«
»Die Sache mit meinem Gehalt.«
Er glotzte noch verständnisloser. »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Aber mein Chef wollte Sie doch ansprechen wegen meiner Gehaltserhöhung â¦Â«
»Wollte er das? Bis jetzt gab es noch kein Gespräch.«
Unglaublich! Das ganze Gerede vom Kampf mit dem Vorgesetzten, vom Abwehrfeuer und von der Etatsperre: Es war nur eine billige Schwindelei gewesen. Mein Chef hatte das Nein, seine ureigene Entscheidung, aus Feigheit mit einem anderen Absender versehen. Und dieser wusste gar nichts von seinem Glück beziehungsweise meinem Unglück. Ich sollte denken: Mein Chef kämpft für mich â also muss ich bei der Arbeit auch für ihn kämpfen. Und darf nicht frustriert über die Nullrunde sein.
Als ich ihn zur Rede stellte, ging er sofort zum Angriff über: »Wie kommen Sie dazu, den Dienstweg zu verletzen?« DarübÂer, dass er die Wahrheit verletzt hatte, verlor er kein Wort.
Jupp Goppel, Speditionskaufmann
9.
Mobben als Betriebssport:
Und raus bist du!
E s gibt fünf Millionen Mobbing-Opfer in Deutschland. Aber die (über) fünf Millionen Mobber gelten als verschollen. Kein Irrenhaus hat je einen gesehen. Dieses Kapitel verrät Ihnen â¦
mit welchen Tricks die Firmen mobben, ohne später gemobbt zu haben,
welchen Umgang mit »Motzbrüdern« die Post in einem Mobbing-Leitfaden empfahl,
warum ein Supermarkt-Chef mit seinem Auto auf zwei Mitarbeiterinnen zuraste
und wie ein Betriebswirt zu seinem dreiÃigjährigen FirmenÂjubiläum eine besondere Ãberraschung erhielt: seine Entlassung.
Ein Ufo namens Mobbing
Die Physikerin Dora Berg (57) war verzweifelt: Kaum ging sie über den Flur, steckten die Kollegen ihre Köpfe zusammen und tuschelten. Kaum öffnete sie beim Team-Meeting den Mund, fielen Kollegen ihr ins Wort. Ihre Vorschläge, so gut sie auch waren, ernteten Kopfschütteln. Und wenn es eine Idiotenaufgabe zu verteilen gab, durfte sie sicher sein: Ihr Vorgesetzter bedachte sie damit! Dabei hatte sie bis vor kurzem noch als Frau für schwierige Aufgaben gegolten.
Was sollte sie tun? Dem Mobbing tatenlos zusehen? Nein, nach einem halben Jahr wollte sie den Stier bei den Hörnern packen und ging ins Büro ihres Chefs:
»Ich werde gemobbt.«
Er schaute sie ungläubig an: »Gemobbt? Bei uns? Ich bitte Sie!«
»Die Kollegen meiden mich wie die Pest. Sie tuscheln und lästern. Sie fallen mir ins Wort und arbeiten nur noch gegen mich.«
»Seien Sie vorsichtig mit Unterstellungen! Das ist kein Mobbing â das hat einfach mit Sympathie und Antipathie zu tun.«
»Wollen Sie damit sagen, dass ich allen unsympathisch bin?«
»Da müssen Sie Ihre Kollegen fragen, nicht mich.«
»Aber von Ihnen bekomme ich seit einiger Zeit doch auch nur noch läppische Aufgaben â alles Interessante geht an die Kollegen!«
Der Chef plusterte sich auf. »Moment mal, Frau Berg! Sie wollen mir doch nicht etwa nachsagen, dass ich Sie mobbe?!«
»Die Aufgaben liegen unter meiner Qualifikation. Etwas hat sich verändert.«
»Wissen Sie, was sich verändert hat?« Jetzt fixierte er sie mit kühlem Blick. »Sie selbst! Sie kommen mit den Kollegen nicht aus. Sie beschweren sich über mich als Chef. Sie mögen Ihre Aufgaben nicht mehr. Schuld sind immer die anderen â merken Sie das, Frau Berg?«
»Aber es stimmt doch, was ich sage!«
Er schwenkte auf den Ton eines Sozialarbeiters um: »Ich habe das Gefühl, dass Sie in letzter Zeit sehr labil sind, vielleicht sogar krank. Wenn Sie sich so unwohl bei uns fühlen, sollten Sie mal überlegen: âºBin ich den Anforderungen noch gewachsen?â¹Â«
Mit diesen Worten schob er Dora Berg sanft aus seinem Büro.
So läuft das immer! Die Irrenhaus-Direktoren tun so, als verhielte es sich mit Mobbing wie mit Ufos: Nur Spinner behaupten, sie hätten eines gesehen. Das Mobbing im Irrenhaus ist nie Mobbing, sondern immer ein harmloser Vorgang: Da haben sich Kollegen geneckt. Da hat ein Vorgesetzter getan, was sein Beruf ist, nämlich Kritik geübt. Oder da hat die Firma, natürlich ohne Ansehen der Person, eine notwendige Entscheidung gefällt â zum Beispiel einen Mitarbeiter degradiert.
Wer immer wieder Ufos sieht, landet in der Klapsmühle. Und wer sich als Mitarbeiter immer
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