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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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krankgeschrieben, verliert die Nerven und kündigt sein Arbeitsverhältnis von allein. Damit hat das Irrenhaus erreicht, was erreicht werden sollte.
    Zeisel, der Rausgemobbte!
    Â§ 34 Irrenhaus-Ordnung: Der Jäger beißt dem Reh nicht selbst ins Bein – dafür hat er seinen Jagdhund. Der Chef macht sich beim Mobbing die Hände nicht selbst schmutzig – dafür hat er seine Mitarbeiter.

Irrenhaus-Sprechstunde 17
    Betr.: Wie mich meine Firma kostengünstig entsorgte
    Ich ging durch die Hölle. Fünfmal die Woche. Mein Chef drückte mir Termine aufs Auge, die einfach nicht zu halten waren. Und jedes Mal, wenn ich zu spät lieferte, machte er mich vor den Kollegen nieder. Mittlerweile gingen die anderen auf Abstand. In der Kantine passierte es, dass sie den letzten freien Stuhl am Tisch für »besetzt« erklärten, auch wenn niemand mehr kam. Offenbar wollte mich die Firma nach 15 Jahren dazu bringen, meinen Job zu kündigen.
    Wie eine Fügung schien es mir, als eines Tages mein Telefon läutete. Der Bereichsleiter eines Wettbewerbers kam nach ein paar Takten Smalltalk zur Sache: Bei ihm sei eine Planstelle frei. Genau mein Profil. Das war mein Ticket aus der Hölle! Ich unterschrieb einen Vertrag, der mich mit einem Gehaltsplus von 20 Prozent lockte. Voller Genugtuung pfefferte ich meinem Chef die Kündigung auf den Tisch.
    Mein erster Arbeitstag in der neuen Firma: Man setzte mich an einen Ecktisch. Ja, ja, einen ordentlichen Arbeitsplatz bekäme ich noch. Aber ich sollte mich erst mal einarbeiten. Derselbe Vorgesetzte, der im Vorstellungsgespräch noch um meine Gunst gebuhlt hatte, fasste mich nur noch mit der Kneifzange an. Meist ließ er mir von seiner Assistentin läppische Prakti kantenarbeiten zuschustern. Mir schwante Übles: Zog da schon wieder ein Mobbing auf?
    So weit kam es nicht: Nach drei Wochen wurde ich entlassen. »Es passt einfach nicht zwischen uns«, behauptete er. Ich war noch in der Probezeit, konnte nichts dagegen unternehmen. Warum hatte mich die Firma erst für viel Geld abgeworben – und dann blitzschnell abserviert?
    Ich googelte den Namen meines neuen Chefs. Dabei stieß ich auf ein bemerkenswertes Foto. Es zeigt ihn Schulter an Schulter mit meinem letzten Chef. In der Bildunterschrift hieß es, die beiden seien alte Studienfreunde.
    Nun durchschaute ich das Spiel! Meine alte Firma hatte mich preisgünstig entsorgen wollen. Statt mich mit Abfindungsrisiko zu kündigen, ließ sie mich einfach von der Konkurrenzfirma abwerben. So gab ich sämtliche Rechte auf, die ich mir in 15 Arbeitsjahren erworben hatte. Für die Kündigung des neuen Arbeitsverhältnisses in der Probezeit brauchte es nicht mal einen Grund. Von einer Abfindung ganz zu schweigen.
    Schade, dass ich kein Hacker bin, sonst hätte ich das Bild der beiden Chefs mit einer neuen Bildunterschrift versehen: »Zwei alte Gauner, die das Arbeitsrecht mit Füßen treten!«
    Henry Wolters, Reprofotograf
    Betr.: Wie ich einen Mitarbeiter gegen Kopfgeld loswerden sollte
    Als feststand, dass ich zum Abteilungsleiter befördert werde, dachte ich: Jetzt startet mein Gehalt durch! Doch die Perso­nalchefin kam mir beim Grundgehalt kaum entgegen. Dafür machte sie mir »persönliche Leistungsziele« als Grundlage einer Prämie schmackhaft – ein bis zwei zusätzliche Gehälter sollte ich so bekommen können.
    Â»Was muss ich dafür tun?«, fragte ich.
    Nun ratterte die Personalleiterin einen Katalog mit Zielen runter. Ein wichtiger Maßstab waren die Krankheitstage meiner Mitarbeiter: Ich sollte dafür sorgen, dass sie um mindestens fünf Prozent pro Jahr sanken.
    Â»Aber ich habe einen Mitarbeiter mit Asthma in meiner ­Abteilung«, sagte ich. »Seine Krankheit wird von Jahr zu Jahr schlim­mer. Wie soll ich das aufhalten?«
    Â»Dann müssen Sie halt andere Mitarbeiter mehr motivieren.«
    Â»Aber die kommen doch jetzt schon mit Husten und Schnup ­fen in die Firma.«
    Â»Auch in Ihrer Abteilung sind die häufigsten Fehltage Montag und Freitag. Das ist gewiss kein Zufall!«
    Ich musste mich auf diese »Vereinbarung« einlassen, obwohl sie in Wirklichkeit ein Diktat der Firma war. Am Ende des Jahres bekam ich die Quittung: Zwar hatte ich den größten Teil meiner Ziele erreicht, doch die Krankheitsquote war nahezu unverändert geblieben. Das kostete mich die

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