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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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einer Nische arbeitet. Aber was passiert, wenn es Konkurrenten bekommt? Wenn sie mit jenen Innovationen glänzen, die sich diese Firma spart? Wenn die besten Mitarbeiter, mangels Gehaltserhöhung, abwandern und ihr Wissen weitergeben?
    Das Groteske an der Sparwut der Irrenhaus-Direktoren: In der Absicht, Geld zu sparen, vernichten sie Geld. Wer bei den Gehältern seiner besten Mitarbeiter spart, treibt sie der Konkurrenz in die Arme. Wer bei der Werbung spart, gräbt sich das Wasser der Zukunft ab. Und wer bei alltäglichem Büromaterial spart, verübt Attentate auf die Motivation der Mitarbeiter.
    Ist die Sparwut also vor allem ein Problem des Mittestands? Nein. Auch Konzerne treiben diesen Wahn auf die Spitze. So haben etliche DAX-Konzerne im Krisenjahr 2009 die Gehälter eingefroren. Zugleich wurden die Aktionäre mit Dividenden in Gesamthöhe von über 22 Milliarden Euro überschüttet. 40 Geld war reichlich da. Nur nicht für Mitarbeiter. Wie kann es sein, dass die Beschäftigten so viel weniger wert als die Aktionäre sind?
    Mit den Jahren ist mir aufgefallen, dass die Sparkommissare der Irrenhäuser zu jeder konjunkturellen Jahreszeit im Einsatz sind. Vor der Krise wird gekürzt mit der Begründung: »Die nächste Krise steht bevor!« In der Krise wird gekürzt mit dem Argument: »Jetzt sind wir mitten in der Krise!« Und nach der Krise wird gekürzt mit dem Hinweis: »Jetzt müssen wir uns von der Krise erholen!«
    Welche Sparblüten die letzte Wirtschaftskrise in Unternehmen mit mehr als tausend Mitarbeitern trieb, hat eine internationale Umfrage erforscht: 72 Prozent der Firmen durchliefen seit Krisenbeginn eine Restrukturierung, 68 Prozent erließen einen Einstellungsstopp, 60 Prozent legten die Gehälter auf Eis, und 55 Prozent wollten Überstunden nicht mehr oder nur noch in Notfällen bezahlen. 41 Wie passt das zu fetten Dividenden?
    Statt den Profit des Unternehmens zu erhöhen, mindern diese Streichungen nur die Motivation der Beschäftigten. Die Zufriedenheit mit der Unternehmenskultur sackte – laut der Umfrage – in einem Jahr um 28 Prozent ab. Der Motivationsmangel bei den Mitarbeitern hat einen irrwitzigen Preis: Allein 2009 hat er die deutschen Unternehmen 92 bis 121 Milliarden gekostet. 42
    Wie wäre es mit einer völlig neuen Sparmaßnahme, die sowohl im Mittelstand als auch bei Konzernen funktioniert – mit Großzügigkeit? Eine Firma in Kanada überraschte ihre Arbeiter mit einem Geschenk: Jeder bekam einen Bonus ausbezahlt, ohne besonderen Anlass. Und was taten die Mitarbeiter? Sie revanchierten sich durch besonderen Fleiß. Schon am ersten Tag nach der Zahlung wuchs ihre Produktivität um zehn Prozent. Gerade bei langjährigen Mitarbeitern kam es zu einem dauerhaften Leistungsschub. 43
    Die Großzügigkeit bewirkte unterm Strich genau das, was Sparmaßnahmen zu Lasten der Mitarbeiter grandios verfehlen: Sie brachte der Firma zusätzliches Geld.
    §33 Irrenhaus-Ordnung: Ein erfahrener Kostenkiller schießt so lange auf sein Opfer, bis nur noch Löcher sind, wo vorher eine Firma war.
    Nachäffer & Co. KG
    Es war Dieter, ein Junge aus unserer Parallelklasse. Eines Tages schlenderte er über den Schulhof mit einem nie zuvor gesehenen Spielzeug. Fasziniert sah ich zu, wie er das bunte Röllchen schwungvoll in Richtung Boden warf, von wo es an einem Schnürchen wieder zurück in seine Hand sauste. Als gäbe es keine Schwerkraft. Wow, das sah vielleicht cool aus!
    Einen Tag später schlenderten fünf Kinder mit Jojos über den Schulhof, verfolgt von 500 bewundernden Blicken. Eine Woche später ließ die Hälfte der Schüler ein Jojo durch die Luft sausen. Und nach zwei Wochen wäre man lieber ohne Kleidung als ohne Jojo in die Schule gegangen. Der Schulhof war zur Zirkusarena geworden. Sogar ein Sportlehrer reihte sich ins Heer der Jojo-Spieler ein.
    Warum ich Ihnen diese Anekdote erzähle? Weil ich dieses Herdenverhalten noch immer beobachte – bei Firmen. Schon mal überlegt, welche Anstöße es braucht, damit Ihre Firma eine neue Werbestrategie fährt, eine neue Kundengruppe anspricht, einen ausländischen Markt ansteuert oder auch nur eine neue Maschine anschafft?
    Sind es Ideen der eigenen Mitarbeiter, die solche Neuerungen auf den Weg bringen? Ach was! Zum Beispiel schlug Klaus Klee (28), Innendienstler bei einer Spedition, seinem Chef während der Wirtschaftskrise vor: »Warum verleihen wir unsere Laster nicht an Privatkunden, wenn wir gerade keine Fahrten haben? Dann können

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