Ich arbeite in einem Irrenhaus
wir in der Zeit, in der sie sonst nutzlos auf dem Hof stehen, gutes Geld verdienen.«
Der Geschäftsführer bellte: »Wir sind eine Spedition, kein Autoverleiher – merken Sie sich das!« Der Mitarbeiter trat gekränkt den Rückzug an, mit dem festen Vorsatz, seinen Chef nie wieder mit einer Idee zu behelligen. Damit war das Thema vom Tisch. Scheinbar.
Doch ein paar Monate später nahm die Geschichte eine unerwartete Wendung. Der lokale Wettbewerber, ebenfalls nicht ausgelastet, schaltete ein Inserat: Er bot seine Lastwagen zum Verleih an. Die Konditionen waren günstiger als bei den klassischen Autoverleihern, das Prozedere höchst unkompliziert.
Bald sah man die Lkw der Konkurrenzfirma, die sonst immer direkt zur Autobahn strebten, durch die Kleinstadt tuckern. Mal wurden sie für Umzüge genutzt. Mal transportierte ein Privatmann sein Boot in die Werft. Mal wollte ein Neuling, der gerade erst seinen Lkw-Führerschein gemacht hatte, sich ein paar Stunden zusätzlicher Fahrpraxis sichern. Das Geschäft lief ausgezeichnet.
Es dauerte nicht lange, da wurde Klaus Klee von seinem Geschäftsführer ins Büro zitiert. Wollte der Chef sich dafür entschuldigen, dass er den Vorschlag abgelehnt und damit einen Fehler begangen hatte? Mitnichten, er knurrte: »Zufälle gibt es, Klee! Da schlagen Sie mir einen Verleih unserer Lkw vor – und ein paar Wochen später greift die Konkurrenz diese Idee auf.«
»Ja, wirklich schade, dass wir nicht schneller waren.«
»Schade ist etwas anderes: dass Sie die Idee zur Konkurrenz weitergetragen haben.«
Klaus Klee zuckte zusammen: »Das hab ich nicht. Ganz sicher nicht!«
»Und wie erklären Sie dann, dass diese Idee ausgerechnet jetzt in unserer Nachbarschaft einschlägt?«
»Weil unser Wettbewerber genauso wenig Aufträge hat wie wir – und Geld verdienen möchte.«
Hinter diesem Erlebnis steht das Naturgesetz aller Irrenhäuser. Die Ideen eigener Mitarbeiter gelten als Hirngespinste, als terroristische Anschläge auf den höchsten aller Werte: die liebe Gewohnheit. Allein die Tatsache, dass ein Unternehmen noch nicht insolvent ist, gilt als Beweis, dass das bewährte Geschäftsmodell funktioniert und keinerlei Veränderungen erforderlich sind.
»Das haben wir schon immer so gemacht« – hinter diesem Schutzschild verkriechen sich ganze Chefetagen. Als gäbe es für Firmen keinen ständigen Evolutionsprozess, keine Notwendigkeit, Veränderungen am (Welt-)Markt zu registrieren und sich dieser Umwelt anzupassen.
Doch was passiert, wenn eine Konkurrenzfirma neue Wege geht? Dann singt der Chefchor: »Warum machen wir das nicht auch?« Jede Idee, die andere haben, gilt als gute Idee. Als würden die Mitarbeiter dort in der Kantine keine Suppe, sondern pure Weisheit löffeln. Wie viele Maschinen wurden schon angeschafft, Expansionsversuche unternommen, Geschäftsmodelle ausprobiert, nicht weil es zielführend war, sondern nur, weil die Konkurrenz es auch tat?
Mir sind mehrere Einzelhändler bekannt, die sich gegenseitig in den Ruin getrieben haben. Das Spiel funktioniert immer gleich: Einer senkt die Preise so weit ab, dass er zwar eine größere Menge an Produkten verkauft, aber damit keinen Gewinn mehr macht. Der Wettbewerber sieht die vollen Läden seines Konkurrenten, wägt ihn auf dem Weg zu einem Milliardengeschäft und stürzt sich wie ein Lemming in dieselbe Richtung. Er lockert ebenfalls die Preisschraube.
Diese Spirale dreht sich so lange und so schwindelerregend schnell abwärts, bis Vor- und Nachläufer sich an einem gemeinsamen Punkt treffen: dem Ausverkauf. Beide sind pleite.
Eine Dummheit, die andere vormachen, wird nicht zum Geniestreich, indem man sie nachmacht. Im Gegenteil: Sogar eine gute Idee kann für den, der sie kopiert, zur Sackgasse werden. Wer in die Fußstapfen eines anderen tritt, läuft immer an zweiter Stelle.
Zum Beispiel erlebte der Chef von Klaus Klee eine Bauchlandung, als er auf den fahrenden Lastzug der Verleih-Idee doch noch aufspringen wollte. Der Wettbewerber hatte den lokalen Markt bereits schon abgedeckt. Außerdem hatten viele Kunden noch den Ehrgeiz, ihren Lkw beim »Original-Verleih« zu ordern – und nicht bei jener Firma, die offensichtlich nur eine gute Idee kopiert hatte.
Betr.: Wie ich unfreiwillig in den Fanclub meines Chefs eintrat
Nanu, was war in unseren Chef gefahren? Erstmals in der Geschichte seiner mittelständischen Firma setzte er einen Betriebsausflug an, eine Fahrt ins benachbarte Elsass – mit
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