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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Mitarbeiter die Firma gewechselt.
    Die Leidtragenden solcher Wechselspiele sind nicht zuletzt die Kunden. Statt dass die Firma sich auf sie und ihre wechselnden Bedürfnisse einstellt, müssen sie sich auf die Firma und deren wechselnde Strukturen einstellen. Über Nacht sind die vertrauten Abläufe umgekrempelt, die vertrauten Ansprechpartner verschwunden, und der Kunde mutiert zum Versuchskaninchen – und hoppelt nicht selten zur Konkurrenz davon.
    Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger kam 2007 zu einem Ergebnis, das sich verblüffend wenig mit dem Empfinden der Mitarbeiter deckt: Die meisten Firmen gaben an, mit ihren Restrukturierungen langsamer als früher auf Krisen zu reagieren: erst nach 20 Monaten, statt nach 14 Monaten (wie noch 2003). 38 Dabei lautete die Frage doch gar nicht: »Wie lange brauchen Sie, um auf den Verbesserungsvorschlag eines Mitarbeiters zu antworten?«
    Ein anderes Ergebnis der Studie ist umso glaubwürdiger: Vier von zehn Firmen unterschrieben, die strategische Planung sei das A und O einer Restrukturierung. Allerdings mussten 80 Prozent aller Unternehmen einräumen, es sei ihnen nicht gelungen, die eigenen Pläne erfolgreich umzusetzen.
    Wie soll eine geplante Veränderung zustande kommen, wenn man vom eigenen Plan abweicht? Wer als Manager nicht am Steuerrad einer Restrukturierung steht, sondern sich vom Strom fröhlich mitreißen lässt, heute in diese, morgen in jene Richtung, ist für seine Mitarbeiter gespenstisch wie ein Irrlicht und unberechenbar wie eine Naturkatastrophe.
    Immerhin entsteht kein dauerhafter Schaden: Die nächste Restrukturierung steht schon im Startloch. Um die Trümmer
ihrer Vorgängerin abzutragen. Und eigene Trümmer zu hinterlassen.
    §31 Irrenhaus-Ordnung: Ein Tsunami ist harmlos. Eine Kobra ist ein Streicheltier. Und eine Restrukturierung dient dem Unternehmen!

6.
    Unverstand im Mittelstand:
Vererbter Wahnsinn

    Kottelmann. Ihren Urlaub mussten wir jetzt
doch streichen, aber Kopf hoch, schauen Sie nur,
was ich Ihnen mitgebracht habe!
     
    M ittlere Firmen sind nicht mittelmäßig. Auf einigen Feldern hängen sie den Durchschnitt locker ab – zum Beispiel in Engstirnigkeit, Geiz und Selbstüberschätzung. Hier erfahren Sie …
     
    • warum mittelständische Unternehmer erst unfehlbar sind – und dann insolvent,
    • wie ein Geschäftsführer, »Onkel Dagobert« genannt, diesem Namen alle Ehre machte,
    • warum Ideen der eigenen Mitarbeiter immer als dumm und solche der Wettbewerber als genial gelten
    • und wie ein Erbe es schaffte, in null Komma nichts die väterliche Firma zu ruinieren.
    Vater unser, der du bist
im Mittelstand
    Was feiern mittelständische Unternehmen am liebsten? Sich selbst. Kein Geburtstag des Firmeninhabers, kein Jahrestag der Geschäftsgründung wird ausgelassen, um die Firmenflagge zu hissen, die Lokalreporter zusammenzutrommeln und die Belegschaft mit einer Rede über die Historie und Zukunft der heiligen Firma in den Schlaf zu wiegen.
    Böse Zungen behaupten, der Begriff »Mittelstand« habe seine Wurzel darin, dass mittelständische Firmen sich selbst als Mittelpunkt der Welt sehen. Am liebsten sorgten Mittelständler dafür, dass an den lokalen Schulen im Geschichtsunterricht nicht die Gründung des Römischen Reichs, sondern die des eigenen Firmenreichs unterrichtet wird. Und was ist schon die Einführung der Sozialversicherung durch Bismarck gegenüber der Einführung des ersten Firmenprodukts, eines Zwiebelschälers oder Bügeleisens?
    Dieser Größenwahn erklärt sich aus der Froschperspektive der Region. Was der Fürst in früheren Zeiten war, ist der mittelständische Irrenhaus-Direktor heute: ein mächtiger Mann, ein »Brötchengeber« im wörtlichen Sinne. Das mittelständische Unternehmen kann der ganze Stolz, das Aushängeschild einer Region sein.
    Nach der Pfeife eines solchen Firmenvaters tanzen im Umkreis von 50 bis 100 Kilometern alle, auch die Lokalpolitiker. Jedes Stück Land, auf dem er bauen will, wird über Nacht zum Bauland erklärt – auch wenn dabei mal wieder ein Biotop unter die Räder kommt.
    Für einen mittelständischen Irrenhaus-Direktor werden in der Region Bücklinge gemacht, Gebete gesprochen und Gesetze gebrochen. Ein solcher Hofstaat ist nicht ohne Risiko. Denn wer garantiert, dass der Unternehmer die Realität im Auge behält? Wer wie ein Sonnenkönig behandelt wird, hält sich bald selbst dafür. Auch wenn er jenseits der Stadtgrenzen nur ein kleines Licht

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