Ich arbeite in einem Irrenhaus
arbeiten in einer Chaostruppe – dann kommt Ihr Organisationstalent erst richtig zum Tragen. Und nehmen wir an, Sie sind von Dummköpfen umgeben – dann kann der Stern Ihrer Klugheit umso heller leuchten.
Vor jeder Veränderung steht die Abwägung: Welchen Nutzen bringt Ihnen die jetzige Situation? Und welchen Preis bezahlen Sie dafür? Wenn sich beides die Waage hält, fehlt Ihnen der Anreiz für die Veränderung.
Eine solche Erstarrung verrät sich mir durch ein untrügliches Zeichen – eine »Eigentlich-Mentalität«. Ein solcher Mitarbeiter sagt, eigentlich hänge ihm sein Irrenhaus zum Hals heraus, eigentlich wolle er seinem Chef die Meinung sagen, eigentlich letztes Wochenende drei Bewerbungen geschrieben haben. Aber rätselhafterweise tat er nichts davon. Eine unsichtbare Macht hielt ihn vom Handeln ab.
Wer seine Arbeits-Ehe lauthals bejammert, aber nichts für eine Scheidung unternimmt, sollte sich fragen: Inwieweit erfüllt mich dieses irre Arbeitsverhältnis eben doch? Welchen heimlichen Nutzen bietet es mir? Und ist dieses Irrenhaus am Ende doch das, was ich will und verdient habe?
Dieser Verdacht ist umso begründeter, wenn jemand schon mehrfach in dieselbe Art von Irrenhaus gestolpert ist. Zum Beispiel habe ich einen Klienten, der immer wieder an extrem ausbeuterische Unternehmen gerät. Dort findet er ein Umfeld, das den »Weltverbesserer« in ihm aufblühen lässt: Er kandidiert für den Betriebsrat, streichelt die Seelen der Gemobbten und legt sich im Namen seiner Kollegen mit tyrannischen Vorgesetzten an. Auf diesem Umweg verwirklicht er einen Wert, der in seinem Leben viel bedeutet: den Kampf für (soziale) Gerechtigkeit.
Was würde er bloß in einer Firma tun, wo die anderen gar keine Hilfe brauchen? Dort lägen seine Talente brach. Deshalb geht er mit dem Irrsinn (unbewusst) eine Symbiose ein. Dieser Mechanismus wurde ihm erst in der Beratung bewusst.
Wie kommen Sie Ihren verdeckten Motiven auf die Schliche? Nehmen Sie ein A4-Blatt und schreiben Sie zehnmal folgenden Satzanfang auf: »Trotz allem, was mir in meiner Firma nicht gefällt, finde ich gut, dass …« Lassen Sie Platz, damit Sie den Satz vollenden können. Und sammeln Sie zehn Argumente.
Danach prüfen Sie: Welcher dieser Gründe ist oberflächlich? Solche Argumente, wie das gute Kantinenessen, können Sie vernachlässigen. Viel interessanter ist die Frage: Welche Vorteile sorgen dafür, dass Sie wichtige Werte Ihres Lebens trotz – oder wegen – des unwirtlichen Umfelds verwirklichen können?
Zum Beispiel könnte es sein, dass jemandem das Gemeinschaftsgefühl heilig ist – und dass er diesen Wert an seinem Arbeitsplatz befriedigen kann, weil das Lästern ihn und die Kollegen zusammenschweißt.
Zu dieser Aufstellung gibt es ein Gegenstück: Nehmen Sie ein neues A4-Blatt und schreiben Sie nun zehnmal folgenden Satzanfang auf: »Wenn ich tief in mich hinein horche, stört mich an meiner Firma …« Vollenden Sie wieder die Sätze und filtern Sie am Ende Punkte heraus, die mit Ihren persönlichen Werten kollidieren.
Nach dieser kleinen Übung wägen Sie ab: Wie schwer wiegen die Vorteile einer Flucht? Wie schwer die Nachteile? Nur wenn die Vorteile eindeutig mehr Gewicht haben, wird Ihre Motivation ausreichen, um einen Fluchtplan zu schmieden und umzusetzen.
2. Welche Alternativen gibt es?
Entscheidend ist nicht nur, dass Sie fliehen wollen – sondern vor allem: wohin? Wie verhindern Sie, von einem Irrenhaus ins nächste zu eilen? Zuerst müssen Sie herausfinden, ob es realistische Alternativen zu Ihrer Firma gibt.
Zwei Formen von Verrücktheit lassen sich unterscheiden: der branchenspezifische Irrsinn, der fast alle Firmen eines Wirtschaftszweiges umnachtet; und der firmenspezifische Irrsinn, der von Haus zu Haus variiert. Unterscheiden Sie beides, damit Sie nicht vom Regen in die Traufe geraten.
Ein Beispiel: Sie arbeiten für eine große Bank. Aber es stört Sie, dass Ihr Unternehmen zugunsten der Rendite die Moral über die Klinge springen lässt. Der typische Wechsel würde Sie nun in die nächste Großbank führen. Aber damit wäre Ihr Problem genauso wenig gelöst, wie wenn Sie vom Löwenkäfig in den Krokodilgraben fliehen würden. Vielmehr ist die starke Profit- und die geringe Moralorientierung das Kennzeichen nahezu aller großen Bankhäuser.
Die grundlegende Frage ist: Passt diese Branche überhaupt zu Ihren Vorstellungen? Hat der Irrsinn, den Sie empfinden, vielleicht damit zu tun, dass Sie sich
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