Ich arbeite in einem Irrenhaus
waren dieselben Probleme, mit denen ich jeden Tag zu kämpfen hatte. Zum Beispiel die unerträgliche Arroganz der Teilhaber gegenüber den Angestellten. Oder unsere Feigenblatt-Mentalität gegenüber reformunwilligen Unternehmen. Oder die Tatsache, dass bei der Personalauswahl der Notendurchschnitt alles und die soziale Kompetenz nichts bedeutet.«
Meine Klientin hatte bis dahin gehofft, der Irrsinn ihrer Firma könne schrumpfen. Diese Begegnung machte sie zur Realistin: »Mir wurde schlagartig klar: Diese Marotten sind ein Teil der Firma. Sie werden so lange bestehen, wie es die Firma gibt – ob mir das gefällt oder nicht.«
Diese Erfahrung machen viele Mitarbeiter. Die Jahre gehen – aber der Irrsinn bleibt. Er ist wie eine Erbkrankheit, springt über Generationen hinweg.
Soll ich ehrlich sein? In einer irren Stadtkultur können Sie tun, was Sie wollen – rodeln oder jodeln, sich auf den Kopf stellen oder ein vorbildliches Verhalten an den Tag legen. Doch am Irrsinn zu wackeln, das wird Ihnen nicht gelingen. Nicht Sie verändern die Stadtkultur – die Stadtkultur verändert Sie.
Heißt das, Sie sollen die Hände in den Schoß legen? Nein! Tun Sie, was Sie können! Bauen Sie einen besseren Draht zu Ihrem Chef auf. Sorgen Sie dafür, dass Sie in Ihrem Job mehr von dem tun können, was Sie erfüllt, und weniger vom dem, was Sie langweilt. Schrauben Sie Ihre Ansprüche auf ein Maß, das vielleicht nicht idealistisch, dafür aber realistisch ist. Das alles sind Trostpflaster; sie helfen ein wenig .
Aber machen Sie sich keine Illusionen! Den Schimmelpilz des Irrsinns, der sich über viele Jahre ausgebreitet hat, werden Sie nicht beseitigen können. Es sei denn, Sie wären selbst der oberste Chef des Unternehmens, Sie hätten einen unbändigen Reformwillen und Sie würden sich von Widerständen nicht abschrecken lassen.
Denken Sie an Michail Gorbatschow, den ehemaligen Staatschef der Sowjetunion, Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung. Durch den irrsinnigen Apparat der kommunistischen Partei hat er sich nach oben gedient, bis er selbst an der Spitze war. Und dort läutete er, gegen alle Widerstände, das Ende des Kommunismus, die Perestroika ein.
Aber wie ist es ihm überhaupt gelungen, in diese Position zu kommen? Wie viele Kompromisse musste er auf dem Weg nach oben eingehen, wie viele Grundsätze brechen? Vor allem gelingt dieser Durchmarsch in Systemen des Irrsinns bevorzugt Menschen, die zu solchen Systemen passen: Irrsinnigen; Gorbatschow war eine Ausnahme. Die meisten Reformer werden von ihren Systemen unschädlich gemacht, ehe sie das System unschädlich machen.
Statt dort Vernunft zu säen, wo sie nicht anwächst, empfehle ich Ihnen: Schauen Sie sich nach einer Firma um, in der Sie sich nicht verstellen müssen; einer Firma, in der Sie Ihre Stärken leben und Ihre Werte mit Leben füllen können.
Das gilt erst recht, wenn Ihre Firma bereits von einer Stadt- in eine Wanderkultur abgestürzt ist. Eine hohe Fluktuation kann ein Warnzeichen sein. Die Matrosen springen ab, das Narrenschiff sinkt. Wer nun an Bord bleibt, muss selbst die Folgen ausbaden. Denn eine große Insolvenz spült zur gleichen Zeit Tausende von Mitarbeitern in den Arbeitsmarkt. Die freien Stellen sind in null Komma nichts dicht. Vorher stehen die Wechselchancen besser.
Und wenn die Wanderkultur mit unternehmerischem Erfolg einhergeht? Dann frage ich mich: Halten ausgerechnet Sie auf Dauer aus, was die anderen reihenweise vertreibt? Die meisten meiner Klienten, die das von sich behauptet haben, stellten sich als heiße Burn-out-Anwärter heraus.
Wie gehen Menschen mit schweren Problemen um? In der ersten Phase tun sie immer dasselbe: Sie leugnen, überhaupt ein Problem zu haben. Die Flut steigt, doch der Ertrinkende tut so, als würde er ein gemütliches Bad nehmen.
Schwimmen Sie besser davon – ehe Ihnen Ihre Felle davonschwimmen.
Fliehen Sie nicht mit den Beinen –
sondern mit Köpfchen
Nehmen wir an, es steht für Sie fest: Ihre Firma ist ein chronisches Irrenhaus, ohne Aussicht auf Besserung. Was nun? Die Entscheidung, ob Sie wirklich gehen wollen, ist damit noch nicht gefallen. Drei Fragen sollten Sie sich vorher stellen, um Ihre Motive zu klären:
1. Was ist positiv an diesem Irrsinn?
Jede negative Situation hat positive Seiten. Das gilt auch für den Irrsinn in Firmen. Nehmen wir an, Ihr Chef entreißt Ihnen alle wichtigen Aufgaben – dann können Sie nie einen schweren Fehler machen. Nehmen wir an, Sie
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