Ich arbeite in einem Irrenhaus
bei der Berufswahl verlaufen haben? Und könnten Sie mit Ihren Fähigkeiten nicht eine Tätigkeit ausüben, die eher zu Ihrem Wertesystem passt – zum Beispiel zu einer kleineren Familienbank wechseln, die ihre Kunden gewissenhaft betreut? Oder Ihre Fähigkeiten in den Dienst einer Verbraucherschutzorganisation stellen? Oder gar als Wirtschaftsjournalist kritische Artikel über jene Branche schreiben, deren Irrsinn Sie aus dem Effeff kennen?
Definieren Sie sich nicht über Ihre Branche, nicht über Ihren Beruf und schon gar nicht über Ihre Firma – fragen Sie sich einfach: Was kann ich Besonderes? Und in welchen Firmen, welchen Branchen, welchen Zusammenhängen sind diese Fähigkeiten gefragt?
Bedenken Sie: Jede Veränderung hat ihren Preis. Wer das Gehalt eines Spitzenbankers anstrebt, aber die moralische Reinheit eines Verbraucherschützers erlangen will, wird an dieser Quadratur des Kreises scheitern; hier oder dort müssen Sie Abstriche machen.
Ist der Irrsinn hingegen firmenspezifisch, dann haben die Unarten vor allem mit der Kultur Ihres Unternehmens zu tun, zum Beispiel dem Führungsstil. Nehmen wir an, in einer Bank würde ein Umgangston wie auf dem Kasernenhof gepflegt. Dieses Problem könnten Sie durch einen Wechsel der Firma hinter sich lassen, auch innerhalb der Branche.
Schauen Sie auch über Ihre Tätigkeit hinaus: Welchen höheren Zweck verfolgt Ihre Firma? Eine langweilige Bürotätigkeit, die Sie für einen geldgierigen Konzern ausüben, ist einfach nur eine langweilige Bürotätigkeit. Aber würden Sie als engagierter Umweltschützer denselben Job für Greenpeace machen, dann wäre Ihre Bürotätigkeit der Teil einer sinnvollen Sache – Sie könnten stolz darauf und mit einem anderen Engagement bei der Sache sein.
3. Wie finden Sie eine Nicht-Irrenhaus-Firma?
Nehmen Sie bitte noch einmal Ihre Liste zur Hand, in der Sie zehn Punkte aufgeführt haben, die Sie in Ihrer alten Firma stören. Zum Beispiel könnte dort stehen, dass Sie die weltfremden Entscheidungen des Managements hassen, dass Ihnen der rüde Ton Ihres Vorgesetzten auf den Magen schlägt und dass Sie das Konkurrenzdenken unter den Kollegen verabscheuen. Nun gehen Sie die wichtigsten Kritikpunkte auf einem dritten A4-Blatt durch, indem Sie jeweils schreiben: »… stattdessen wünsche ich mir …«
Nun sind Sie gezwungen, zum konstruktiven Denken überzugehen. Wenn Sie weltfremde Entscheidungen des Managements hassen – welche Form von Unternehmensführung wünschen Sie dann? Definieren Sie Ihre Erwartungen. Zum Beispiel: »… stattdessen wünsche ich mir eine Firma, die ihre Mitarbeiter an der Basis wertschätzt, sie in Entscheidungen einbindet und eine möglichst demokratische Führungskultur pflegt.«
Auf diese Weise entsteht das Profil einer Firma, die Sie garantiert nicht als Irrenhaus, sondern als vorbildlichen Arbeitgeber empfinden würden.
Wenn Ihre Liste steht, denken Sie scharf nach: Welche Firmen, welche Institutionen verwirklichen diese Werte besser als Ihr jetziges Unternehmen? Wen könnten Sie befragen, um Informationen aus erster Hand zu bekommen? Was ist mit Kommilitonen oder Ausbildungskollegen, Ex-Chefs oder Ex-Kollegen, Menschen aus Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis? Und haben Sie in der Zeitung nicht gerade einen Artikel über die »Arbeitgeber des Jahres« gelesen? Schauen Sie auch dort: Welche Firma passt am ehesten zu dem Bild, das Sie nun gezeichnet haben?
Eine Klientin von mir, bis dahin für eine Supermarktkette tätig, wurde bei dieser Recherche auf die Drogeriekette dm aufmerksam. Dort wird nach demokratischen Prinzipien geführt. Die Mitarbeiter wählen ihre Vorgesetzten, bestimmen ihre Gehälter selbst und genießen eine hohe Achtung. Das stimmte haargenau mit ihren Werten überein.
Diese Botschaft bekam sie in ihrer Initiativbewerbung und in zwei Vorstellungsgesprächen transportiert – gar nicht so schwer, wenn man sich nicht verstellen muss, sondern ehrlich für eine Unternehmenskultur schwärmen kann. So gelang meiner Klientin ein Wechsel, den sie nicht bereut hat. Noch zwei Jahre später, als ich zuletzt mit ihr gesprochen habe, lobte sie ihre Firma in höchsten Tönen.
Aber ein solcher Fluchtplan geht nur auf, wenn Sie sich nicht nach dem Zufallsprinzip auf Ausschreibungen bewerben – sondern wenn Sie wie ein Polizist ans Werk gehen: Erst Indizien sammeln. Dann ein Phantombild der Firma entwickeln. Und dann – aber auch erst dann – den passenden Job durch eine
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