Ich beschütze dich
Fluss ab. Nur ein kurzes Stück entfernt zeigt Jez’ Fenster den gleichen Ausblick. Arm in Arm schlendern wir zwischen den Stauden und unter den kleinen, kahlen Bäumen umher.
»Durch die Kälte kommt der Eisenhut erst später«, erklärt Betty. »Aber überall wachsen Schneeglöckchen. Jedes Jahr freue ich mich mehr über sie. Ich glaube sogar, sie werden immer weißer!«
Dieses Klirren von der Colliers Wharf ist immer zu hören, sogar bei leichtem Wind. Darunter mischen sich das Brummen eines Motorboots auf dem Fluss und das hohe Dröhnen eines Flugzeugs auf dem Weg zum City Airport. Obwohl man nur schwer einzelne Geräusche heraushören kann, sind laut und deutlich dumpfe Schläge zu erkennen. Als ich wieder denke, dass sie aus meiner Garage kommen müssen, und mein Herz einen Sprung tut, drückt Betty meinen Arm und beugt sich näher.
»Du bist mir ja eine. Du hast die Garage gar nicht aufgeräumt, um das Auto reinzustellen, oder?«
»Und was geht dich das an?«, frage ich und ziehe meinen Arm weg.
Sie schwankt leicht, sichtlich verdutzt. »Du hast mir erzählt, du würdest dein Auto reinstellen. So wie deine Mutter früher. Aber es steht noch auf der Straße!«
»Was ich mit meinem Auto mache, ist meine Sache, Betty.«
»Aber auf der Straße ist es nicht sicher, das habe ich doch schon gesagt. Es wäre viel besser, wenn du in der Garage parkst. Hier laufen Vandalen rum. Ich meine es doch nur gut mit dir.«
»Danke.« Ich beruhige mich etwas. »Aber es ist gar nicht einfach, in dieser kleinen Garage zu parken.«
»Was willst du denn dann mit ihr machen?«, fragt sie und wendet sich ab.
Ich merke, dass ich sie mit meiner übertrieben heftigen Reaktion beleidigt habe und dass ich keinen Grund zur Sorge hatte. Als sie zum Tor geht, rufe ich ihr nach, ich würde mich für den Rundgang durch ihren schönen Garten bedanken, und ich wünschte, das Flusshaus hätte auch einen Garten, aber sie verschwindet in ihrem Haus, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Es tut mir leid, dass ich sie verletzt habe, und ich ärgere mich über meine schroffe Reaktion, obwohl sie sich doch nur Gedanken um meinen alten Saab macht.
Meine Hände zittern, als ich an den beiden Vorhängeschlössern an der Garagentür herumfummle und sie endlich aushaken kann. Ich öffne das Sicherheitsschloss in der inneren Metalltür, schlüpfe hinein, schließe die Tür hinter mir und schiebe den Riegel vor.
Es riecht in der Garage. Wieder durchzuckt mich Ärger. Dieser Ort, an dem es nur einen Eimer gibt statt fließendem Wasser und Strom, ist entwürdigend. Im Musikzimmer gab es solche Probleme nicht.
Jez hat das Gesicht abgewandt, obwohl er mich mit Sicherheit gehört hat. Ich kann den Umriss seines Wangenknochens sehen, der seinen sanften Schwung verloren hat. Sein Körper wirkt unter der Decke beinahe plan. Seine Arme und Beine sind noch sicher an die Bettpfosten gefesselt, also muss er, wie ich befürchtet habe, den Hinterkopf gegen das Kopfteil geschlagen haben.
Ich setze mich auf das Bett.
»Jez, du hast mit dem Kopf gegen das Bett geschlagen. Ich konnte dich draußen hören. Du musst damit aufhören«, sage ich, während ich ihm den Knebel abnehme.
»Warum sollte ich?« Ohne den Knebel erkenne ich, dass er sich in einen Wutanfall gesteigert hat. »Was erwarten Sie denn? Nach allem, was Sie mir antun!«
»Ich will nicht, dass du dich verletzt. Schläge gegen den Kopf sind gefährlich.«
»Aber meine Arme und Beine sind festgebunden«, sagt er. »Ich habe nur noch meinen Kopf.«
»Mir gefällt es auch nicht, dich festzubinden«, entgegne ich sanft. »Aber du musst etwas mitarbeiten, wenn wir dich später hier herausholen wollen. Wer weiß, was uns passiert, wenn du jemanden misstrauisch machst?«
»Ich bin in diesem Loch doch eingeschlossen! Bis jetzt war niemand hier. Also was soll das alles? Sie könnten mich doch losbinden. Aus dem Fenster kann ich nicht klettern, es ist zu klein.«
»Ich weiß. Und einen Sturz in den Fluss würdest du nicht überleben. Bei Ebbe würdest du dir etwas brechen, den Hals oder das Rückgrat, und bei Flut würde dich die Strömung sofort unter Wasser ziehen.« Ich will ihm keine Angst machen, er soll aber auch nicht auf dumme Ideen kommen.
Sprachlos starrt er mich an.
»Obwohl Seb bestimmt etwas eingefallen wäre«, murmele ich. »Er hätte sich eine Strickleiter gebaut und mit irgendwas das Fenster eingeschlagen. Wenn er sich erst was in den Kopf gesetzt hatte, konnte ihn nichts
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