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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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verdecken. Für einen Moment presste sie die Lippen zusammen, dann nickte sie zögernd.
    »Krieg ich Pommes?«, wollte der Kleine von mir wissen, als ich ihn und seine Schwester bei der Hand nahm und mit den beiden in Richtung Friedhofsausgang ging.
    »Deine Mutter kann dir vielleicht nachher welche kaufen. Hier auf dem Friedhof gibt es keine.«
    »Hier liegen nur lauter Leichen rum«, informierte ihn seine Schwester. »Die essen nichts mehr.«
    »Was sind Leichen?«, wollte Mäxchen wissen.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich schnell dazwischen.
    »Massi-mi-lian«, sagte der Kleine.
    »Ich weiß. Ich meinte deine Schwester.«
    »Paula«, sagte das Mädchen.
    »Und wie alt seid ihr?«
    »Ich bin fünf«, sagte die Kleine. »Maxi ist drei. Er ist mein Bruder.«
    »Was sind Leichen?«, fragte Mäxchen, der sich nicht so leicht vom Thema abbringen ließ.
    »Tote Leute«, sagte Paula. »Sie werden von oben bis unten aufgeschnitten und dann wieder zugenäht, und dann werden sie eingegraben.«
    »Du lügst«, sagte Mäxchen.
    »Tu ich nicht. Es kommt immer bei CSI.«
    »Das darfst du gar nicht gucken!«
    »Mach ich aber. Mit Olga zusammen, wenn Mama nicht da ist. Sie legen die Toten auf solche Tische im Labor und schneiden sie mit dem Messer auf. Dann holen sie alles raus, was in ihnen drin ist. Das untersuchen sie, und dann wissen sie, wer der Mörder ist.« Die Kleine zeigte auf mich. »Frag die Frau, wenn du es nicht glaubst.«
    »Ich heiße Charlotte.«
    »Was holen sie aus den Toten raus?«, wollte Mäxchen wissen.
    »Wer ist Olga?«, startete ich ein neues Ablenkungsmanöver.
    »Unser Aupair-Mädchen.«
    »Warum ist sie heute nicht mitgekommen?«
    »Sie hat ihre Tage.«
    »Was ist das?«, fragte Mäxchen.
    »Da läuft monstermäßig viel Blut aus ihr raus.«
    »Das ist gar nicht wahr«, sagte Mäxchen verunsichert.
    »Ist es wohl. Sie hat’s mir selbst erzählt. Deswegen steckt sie Tampons in sich rein.«
    »Was sind Tampons?«
    »Die weißen Dinger, die du mal abgepellt und ins Klo geworfen hast. Wo dann alles verstopft war und der Mann mit dem Bohrer da war und Mama geweint hat, weil es dreihundert Euro gekostet hat.« Paula deutete auf die Gräberreihen, an denen wir vorbeikamen. »Die liegen da unter den Steinen. Die ganzen Leichen.« Ihre Stimme wurde mit einem Mal piepsig. »Wenn wir tot sind, kommen wir da auch hin.«
    »Ich nicht«, sagte Mäxchen.
    »Musst du aber, wenn du stirbst.«
    »Ich sterbe nicht.«
    »Tust du wohl.«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Du Blödi, klar musst du sterben. Alle Leute müssen sterben.«
    Mäxchen ließ einen zornigen Laut hören. »Ich will aber nicht tot sein!«
    »Wir können was spielen.« Ich zog die beiden auf eine von Bäumen gesäumte Rasenfläche. »Kennt ihr Häschen in der Grube? «
    »Das kenn ich aus dem Kindergarten«, sagte Paula.
    »Ich nicht«, sagte Mäxchen.
    »Du bist ja auch noch nicht im Kindergarten, weil du ein Baby bist«, belehrte seine Schwester ihn.
    »Ich bin kein Baby!«, widersprach Mäxchen entrüstet. »Ich bin drei! Und bald komm ich auch in den Kindergarten.«
    »Mit drei kann man das Spiel ganz leicht lernen«, erklärte ich, und schon legten wir los. Anschließend gingen wir über zu Meine Tante aus Marokko , was sich als echter Knaller erwies – die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache. Und sie hatten eindeutig eine bessere Kondition als ich. Ich geriet bei dem ganzen Gehopse derart ins Schwitzen, dass ich die Kostümjacke auszog und zusammen mit meiner Handtasche neben einem Baum ablegte. Inzwischen hatte meine Strumpfhose eine Laufmasche, und meine Schuhe waren voller Grasflecken.
    Doro und Dirk warteten im Hintergrund; sie waren mir und den Kindern gefolgt und schauten uns grinsend zu.
    »Und sie kommt auf zwei Kamelen, wenn sie kommt, hoppeldihopp«, sang ich keuchend und mit hoppelnden Reitbewegungen, und dann nach diversen Wiederholungen den Refrain. »Singing ja, ja yippie yippie yeah! Hipphopp, hoppeldihopp!«, jeweils mit den dazugehörigen Verrenkungen. An der Stelle mit den zwei Pistolen fingen Doro und Dirk an mitzumachen.
    »Und sie schießt mit zwei Pistolen, wenn sie kommt, piffpaff! Und sie schießt mit zwei Pistolen, wenn sie kommt, piffpaff!«
    Dirks »Piffpaffs« waren so laut, dass Doro sich lachend die Ohren zuhielt, während die Kinder versuchten, Dirk zu übertönen. Wir waren so sehr in das lärmende Spiel vertieft, dass wir die herannahenden schwarzen Witwen erst bemerkten, als sie schon in unmittelbarer

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