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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Nähe waren. Den fassungslosen Mienen war zu entnehmen, was sie von diesem spontanen Kinderbespaßungs-Event mitten auf dem Friedhof hielten. Sofort bemühte ich mich um einen sittsamen Gesichtsausdruck und schlüpfte wieder in meine Kostümjacke, während Dirk nach einem Rippenstoß von Doro noch ein letztes missglücktes Piffff! von sich gab und sich dann peinlich berührt zu dem unerwarteten Publikum umdrehte.
    Zwischen all dem Schwarz tauchte ein runder lila Farbklecks auf. Rasch schob ich die Kinder in Jennifers Richtung. »Da ist eure Mami. Los, Kinder! Wer als Erster bei ihr ist!«
    Die beiden stürmten jubelnd los.
    »Tschüss!«, rief ich ihnen nach. »War nett mit euch!«
    Paula hatte einen leichten Vorsprung, aber Mäxchen legte ein erstaunliches Tempo vor und hatte seine Schwester fast eingeholt, bevor beide ihre Mutter erreichten.
    Doro und Dirk gesellten sich zu mir, und während wir uns schnellstmöglich in Richtung Ausgang verdrückten, blickte ich über die Schulter zurück. Erleichtert sah ich, dass Jennifer nicht ärgerlich zu sein schien, im Gegenteil: Sogar auf die Entfernung erkannte ich ihr breites Grinsen.
    Auf dem Weg zum Tor legte Doro mir den Arm um die Schultern. »Das war mit Abstand die lustigste Beerdigung, auf der ich je war.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagte Dirk. »Piffpaff, hoppeldihopp!«
    Ich musste kichern. Nur ein bisschen, aber immerhin. Ich fühlte mich gut. Sogar mein Kater war verflogen. Es ging doch nichts über Bewegung an der frischen Luft. Doro drückte mich an sich. »Das hast du prima hingekriegt, Charlotte. Und jetzt hast du es hinter dir.«
    Dem konnte ich nur zustimmen. Die Meute der schwarzen Witwen hatten wir mittlerweile abgehängt. Und die Beerdigung hatte durch das nette Spielen mit den Kindern ein wirklich versöhnliches Ende genommen. Ich hatte Klaus die letzte Ehre erwiesen, im wahrsten Sinne des Wortes. Damit war dieses Kapitel in meinem Leben endgültig abgeschlossen.
*
    Der Termin für die Testamentseröffnung fand drei Tage später statt. Als ich die Ladung vom Amtsgericht bekam, dachte ich zuerst an einen Irrtum und nahm mir vor, einfach nicht hinzugehen – schließlich wusste ich ja, dass es nichts zu erben gab –, aber Doro befragte die Anwältin in ihrem Pilates-Kurs, worauf sie die Auskunft erhielt, dass Klaus mich sehr wohl als Erbin eingesetzt haben könnte, egal, ob noch Besitz vorhanden war oder nicht. Mit der Konsequenz, dass ich durchaus etwas von ihm erben konnte – nämlich seine Schulden. Die ich dann womöglich am Hals hätte, wenn ich nichts dagegen unternahm.
    Folglich entschied ich, den Termin doch besser wahrzunehmen. Anstelle des schwarzen Kostüms trug ich diesmal eine Mischung aus edel und leger – hellbraune Steilmann-Bluse zu cremefarbenen Jeans, dazu halbhohe Riemchenpumps und als einzigen Schmuck ein schlichtes Perlenarmband. Das Haar band ich zu einem lockeren Pferdeschwanz und ging sparsam mit Make-up um. Alles in allem fand ich mich zum ersten Mal seit Monaten optisch wieder passabel.
    Doro bot mir an, mitzukommen, doch dann hätte sie in ihrer Praxis zwei Lymphdrainagen verschieben müssen. Ich lehnte ihr Angebot freundlich, aber entschieden ab, denn vor diesem Behördengang war mir nicht bange. Natürlich empfand ich eine gehörige Portion Unbehagen, rein gefühlsmäßig irgendwas zwischen Wurzelkanalbehandlung und Mammografie, doch auch das waren schließlich Dinge, die ich allein hinter mich bringen musste.
    Außerdem wusste ich bereits, wie ich mich verhalten musste. Ich hatte es mir sogar extra aufgeschrieben. Doros Pilates-Anwältin hatte erklärt, im Falle eines zweifelsfrei überschuldeten Nachlasses solle ich einfach das Erbe ausschlagen, dann sei ich auf der sicheren Seite.
    Im Flur des tristen Gerichtsgebäudes wartete ich vor der Tür des Amtszimmers, bis ich aufgerufen wurde. Ein schlecht gelaunter Justizbeamter hatte mir befohlen, mich noch einen Moment zu gedulden, bis alle anderen Geladenen erschienen seien. Während ich mich fragte, wer die anderen Geladenen waren (hoffentlich keine von den schwarzen Witwen!), kam auch schon Jennifer um die Ecke marschiert. Sie trug wieder den lila Kaftan, den sie schon zur Beerdigung angehabt hatte. Mit der einen Hand hielt sie sich den riesigen Bauch, mit der anderen zog sie Mäxchen hinter sich her. Neben ihr stöckelte auf hochhackigen Pumps eine blutjunge Schönheit einher, mit lackschwarzen, schulterlangen Locken, kurzem Röckchen und knappem Top. Keine Frage,

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