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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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die Sache klarzustellen. »Ich hatte damit nichts zu tun«, versicherte ich. »Für mich kam das genauso aus heiterem Himmel wie für dich. Nein, es war sogar noch schlimmer, denn ich habe noch in dem Haus gewohnt, als dein Vater schon ausgezogen war. Er hatte versprochen, es mir zu überschreiben. Ich hatte ihm nämlich vorher viel Geld geborgt. Sehr viel Geld«, wiederholte ich mit ausdrücklicher Betonung, als ich Jennifers ungläubige Miene bemerkte.
    »Ich muss Pipi «, wiederholte Mäxchen.
    »Mit anderen Worten, der Erblasser hatte bei Eintritt des Erbfalls Ihnen gegenüber Verbindlichkeiten?«, erkundigte sich der Beamte.
    »Wenn Sie damit meinen, dass er noch einen Berg Schulden bei mir hatte – das stimmt.«
    »Haben Sie dafür Belege?«
    »Einen Bankauszug über eine Überweisung von zweihundertachtzigtausend Euro, mit dem Betreff: Darlehen von Charlotte an Klaus .«
    »Ich muss sofort Pipi!«, rief Mäxchen erzürnt. »Ganz doll!«
    »Sie könnten diese Forderung gegenüber dem Nachlass geltend machen.«
    »Dafür wäre Voraussetzung, dass überhaupt was da ist. Ich bin ziemlich sicher, dass da nichts mehr zu holen ist.« Ich stand auf und streckte Mäxchen die Hand hin. »Komm, wir suchen das Klo.«
    Jennifer hatte die ganze Zeit sprachlos ins Leere gestarrt. Sie war sehr blass. Ich sah, wie ihre Hände zitterten, als sie das Testament nahm und glatt strich. »Dann ist dieses Ding bloß ein Witz, oder?« Ihre Stimme bebte. »Er hat alles durchgebracht. Hat alle reingelegt und ist abgehauen. Nur diesmal endgültig und für immer.« Sie blickte vernichtet vor sich hin.
    »Ich gehe schnell mit Mäxchen auf die Toilette«, sagte ich. Das würde ihr die nötige Zeit geben, sich zu sammeln. Ich konnte mir ungefähr vorstellen, wie sie sich jetzt fühlte. Wenn es nur halb so schrecklich war wie für mich bei der Räumung, musste es ihr gerade wirklich mies gehen.
    Vor der Tür standen Olga und Paulinchen. Olga tippte auf ihrem Smartphone herum, und die Kleine kämmte hingebungsvoll eine Barbie. Als wir aus dem Amtszimmer kamen, sah Paulinchen auf. Sie freute sich, als sie mich sah. »Du bist ja auch hier!« Dann wurde ihr Gesicht ernst. »War Mama sauer?«
    »Warum sollte sie?«
    »Weil du eine …« Sie dachte kurz nach, bis ihr das gesuchte Wort wieder einfiel. »Weil du eine alte Erbschleicherin bist.«
    »Oh, nein, das war ein Irrtum«, versicherte ich. »Ich erbe nämlich überhaupt nichts.«
    »Dann kriegt Mama das Haus und die ganze Kohle, oder?«, fragte Paulinchen mit der Arglosigkeit ihrer fünf Jahre.
    »Sie kriegt alles, was noch da ist«, sagte ich diplomatisch.
    »Ich mach gleich in die Hose«, verkündete Mäxchen.
    »Mach ruhig«, forderte Olga ihn grinsend auf. Zu mir sagte sie: »Er hat eine Pampers an.«
    »Ich will nicht in die Pampers machen!«, schrie der Kleine. Bevor sein Trotz sich zum Wutanfall auswachsen konnte, eilte ich mit ihm zur Damentoilette, zog ihn rasch aus und ignorierte sein Quengeln, während ich den Sitz mit einem Frischhaltetuch abwischte und ihn schließlich aufs Klo setzte. Es dauerte eine Weile, bis er Wasser lassen konnte, obwohl er vorher so dringend gemusst hatte. Die ungewohnte Umgebung schüchterte ihn ein. Ich wartete geduldig, bis er so weit war und sein kleines Geschäft verrichtet hatte. Anschließend ging es ans Händewaschen, wobei er viel Spaß hatte und fröhlich herumspritzte, sodass meine Bluse hinterher reichlich mit Wasserflecken gesprenkelt war.
    Ich stellte fest, dass es mir Spaß machte, all diese harmlosen kleinen Dinge mit ihm gemeinsam zu erledigen, und nach langer Zeit fragte ich mich zum ersten Mal, warum ich so vollständig vergessen hatte, wie viel Freude mir mein erlernter Beruf früher bereitet hatte. Allerdings hatte mir mein anderer Beruf genauso viel oder sogar noch mehr Spaß gemacht. Als ich mit fünfundzwanzig das Weingeschäft meines Vaters übernommen hatte, sollte es eigentlich nur vorübergehend sein, höchstens für ein paar Monate, bloß so lange, bis ich einen Käufer gefunden hatte. Am Ende waren aus der Übergangslösung vierundzwanzig Jahre geworden. Mein halbes Leben.
    Als ich mit Mäxchen in den Gerichtsflur zurückkehrte, standen Olga und Paula immer noch dort; von Jennifer war nichts zu sehen. Ich setzte mich mit dem Kleinen auf eine Bank und veranstaltete zur Abkürzung der Wartezeit ein paar Fingerspiele für Kleinkinder. Paula gesellte sich zu uns, während Olga weiter auf ihrem Handy herumtippte.
    »Steigt ein

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