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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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ganz anders aus. Ob die da was verwechselt haben? Die Dinger passen überhaupt nicht.«
    »Zeig mal her. Hm, nein, das ist das falsche Brett, Schatz. Warte mal … Ich glaube, wir müssen dieses hier nehmen.« Doro hockte sich neben ihn, und schon fing sie an zu schrauben. Sie hatte eine deutlich praktischere Ader als Dirk, was sich schon an den unterschiedlichen Berufen der beiden zeigte – mit ihren geschickten Händen vollbrachte Doro wahre Wunder gegen steife Nacken und knirschende Wirbel, während sich Dirk als Versicherungsvertreter eher durch verkäuferische Kompetenz als durch handwerkliche Begabung hervortat. Aber immerhin hatte er alle meine Versicherungsverträge optimiert und mir dadurch einiges Geld gespart.
    »Ich fang dann lieber schon mal mit dem Streichen an«, sagte er. »Das liegt mir einfach mehr.«
    Er ging in die Küche, wo ich alles bereitgestellt hatte – Wandfarbe, Rollen, Trittleiter, sogar einen liebevoll aus alter Zeitung gefalteten Hut. Kurz darauf ertönte lautes Krachen, gefolgt von markerschütterndem Gebrüll. Es klang wie eine Mischung aus Schmerzensschrei und Fluch, ich verstand deutlich die Worte Verfickte Scheißleiter und Verdammt, mein Arm .
    Doro und ich rannten in die Küche, wo Dirk auf dem Boden saß, den Zeitungshut auf dem Kopf und die umgefallene Trittleiter neben sich. Er hielt sich mit schmerzverzerrter Miene den rechten Arm, der eine seltsame Krümmung aufwies, an einer Stelle, wo definitiv keine hingehörte. Es tat schon vom Hinsehen weh, entsprechend schrien Doro und ich bei dem Anblick einstimmig schrill auf.
    In der Ambulanz erfuhren wir, dass es ein glatter Bruch war, und nachdem Doro und ich etliche Stunden später den armen, mit Schmerzmitteln vollgepumpten Dirk inklusive Gipsarm nach Hause verfrachtet hatten, kehrte ich am frühen Abend abgekämpft und niedergeschlagen in meine Wohnung zurück. Inmitten einer riesigen Halde aus Möbelpappe und Plastikfolie zog ich Zwischenbilanz. Ich hatte überwiegend funktionstüchtiges Mobiliar, nur der Kleiderschrank lag noch in Einzelteilen auf dem Fußboden herum, und im Wohnzimmer mussten noch zwei Regale ausgepackt und aufgebaut werden. Die Wände waren ungestrichen, abgesehen von ungefähr einem Quadratmeter an der Küchendecke, den Dirk vor seinem Sturz übermalt hatte. Diese Stelle machte immerhin schon mal einen guten Eindruck, man konnte sich in etwa vorstellen, wie es aussehen würde, wenn alles frisch gestrichen war.
    Insgesamt hätte es schlimmer kommen können, tröstete ich mich. Die Malerarbeiten würde ich auch allein hinkriegen. Und Doro würde mir bei der restlichen Möbelmontage helfen, sobald sich die Aufregung über Dirks Armbruch gelegt hatte.
    Doch obwohl ich mich um eine optimistische Einstellung bemühte, konnte ich nicht viel gegen die tiefe Niedergeschlagenheit ausrichten, die mich erfasst hatte. Die ganze hektische Betriebsamkeit der vergangenen Woche war schlagartig verpufft.
    Da klingelte es an der Tür, und ich freute mich über die höchst willkommene Ablenkung. Die Freude verflog allerdings sofort wieder, als der vergrämt dreinschauende Herr Knettenbrecht vor mir stand.
    Er hielt mir einen Stapel Werbeprospekte und zwei Briefe hin. »Das lag unten im Flur. Ist leider rausgefallen. Aus dem Briefkasten. Weil er zu voll war. Von der ganzen Werbung.«
    »Danke.« Ich nahm ihm alles ab.
    »Normalerweise holen die Mieter hier im Haus regelmäßig die Post aus den Kästen. Und die Werbung auch. Außer Frau Dimitriewa. Der ist es total egal, wenn das Zeug auf dem Boden rumliegt.«
    »Mir ist heute was dazwischengekommen, deshalb hab ich’s vergessen.«
    »Es macht keinen guten Eindruck, wenn das Zeug auf dem Boden herumliegt.«
    »Beim nächsten Mal werde ich das berücksichtigen«, versprach ich.
    »Ich sage Ihnen das bloß, damit es gar nicht erst einreißt.«
    »Das ist klasse. Sie nehmen Ihre Aufgaben wirklich ernst. Gut, dass Sie hier im Haus für Ordnung sorgen.«
    Er starrte mich an, offenbar mit der Frage beschäftigt, ob ich das bewundernd oder eher ironisch meinte, doch bevor er darüber Klarheit gewinnen konnte, machte ich ihm einfach die Tür vor der Nase zu.
    Die Werbeprospekte warf ich auf den großen Papphaufen mitten im Wohnzimmer und riss aufgeregt den ersten der beiden Briefe auf. Er stammte von einer der beiden Weinhandlungen, die ich angeschrieben hatte.
    … teilen wir Ihnen auf Ihre Bewerbung hin mit, dass wir derzeit in unserem Unternehmen keine Stelle zu besetzen haben

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