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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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nicht bei der Inquisition, also unterstellte ich fürs Erste, dass es stimmte.
    Als wir endlich – abgesehen von Olga – am Esstisch saßen, fing gleich die nächste Pannenserie an. Dirk warf mit seinem Gipsarm sein Weinglas um, und Doro bekam eine Ladung gut gekühlten Grauburgunder ab, worauf sie so schnell aufsprang, dass ihr Stuhl umfiel.
    »Oh Mann, du Tollpatsch!«, schrie sie.
    Mäxchen zuckte erschrocken zusammen, dann fing er an zu weinen und rief nach seiner Mama, worauf seine Schwester aus lauter Mitleid und Sehnsucht nach ihrer Mutter in sein Schluchzen einstimmte. Beide wollten sich kaum beruhigen lassen, es wurde erst besser, als ich ihnen hoch und heilig versprach, dass sie nur noch einmal schlafen mussten, bis ihre Mutter wiederkam.
    Adrian war wie ein Fels in der Brandung. Er reichte Doro ein Handtuch, hob den umgefallenen Stuhl auf, wischte mit Küchenkrepp den vergossenen Wein weg und schenkte Dirks Glas wieder voll. Dann ging er mit Mäxchen, der dringend musste, zum Pinkeln ins Bad, auch wenn er dabei ein paar Regeln außer Acht ließ. (»Ich habe ihm erst mal gezeigt, wie ein richtiger Mann das macht.«)
    Doro zog sich gerade im Schlafzimmer ihre durchnässte Jeans aus und eine von meinen an, als Olga hereinschaute, ausgehfertig geschminkt und in einem dunkelroten Schlauchkleid, das aussah wie auf den Körper gesprüht und mich auf den Gedanken brachte, mir vielleicht doch lieber rasch den Ausweis zeigen zu lassen. Doch die Frage erstarb mir bei ihren nächsten Worten auf den Lippen.
    »Eben hat Jennifer angerufen«, sagte Olga. »Sie kann erst übermorgen zurückkommen. Weil sie vorher noch zur Botschaft muss, um sich einen Ersatzausweis zu besorgen. Ihr wurde ja der Pass geklaut. Das hatte sie ganz vergessen. Also bleiben wir noch einen Tag länger hier bei dir.«
    Ich schluckte hart, sagte aber nichts. Die Erwiderung, die mir auf der Zunge lag – Noch ein Tag von dieser Sorte, und ich kriege eine posttraumatische Belastungsstörung! –, hätte sowieso nichts geändert.
    »Irgendwie hatte ich mir das heute hier alles ein bisschen anders vorgestellt«, sagte Doro zu mir, als Olga weg war. »So ein Abend mit kleinen Kindern … das ist ja wirklich wahnsinnig stressig! Ständig schreien sie rum, bekleckern sich, müssen aufs Klo, nerven einen mit seltsamen Fragen. Wie hältst du das bloß aus?«
    »Überhaupt nicht«, sagte ich.
    Immerhin riss dann das Essen noch manches raus – es war köstlich. Auf Doros Kochkünste war Verlass; was sie auftischte, schmeckte immer. Es hätte sogar noch besser schmecken können, wenn ich beim Essen nicht so müde gewesen wäre, dass ich kurz davor war, den Kopf neben meinen Teller zu legen.
    Nachdem ich eine Stunde später endlich die Kinder ins Bett verfrachtet hatte – eine Aktion, die fast eine halbe Stunde dauerte –, hätte es theoretisch noch nett werden können. Doro und Adrian hatten sich bereits um den Abwasch gekümmert und die Küche aufgeräumt, nun hätte der gemütliche Teil des Abends beginnen können. Bei einem guten Glas Wein zum Beispiel – natürlich nicht dem Mouton Rothschild, aber einen ordentlichen Chianti hätte ich noch springen lassen können. Doch bei mir war die Luft raus. Ich fühlte mich wie nach einem Marathonlauf (oder zumindest so, wie ich mir vorstellte, dass man sich nach einem Marathonlauf fühlte) und wollte nur noch ins Bett. Ich sagte zwar nichts, weil ich kein Spielverderber sein wollte, aber die anderen merkten es trotzdem. Doro und Dirk gingen zuerst, Adrian folgte ihnen im Abstand von einer halben Minute. Er blieb noch lange genug in der offenen Wohnungstür stehen, um mir die Hand zu drücken – deutlich länger, als es für einen normalen Händedruck unter Nachbarn nötig gewesen wäre. In meinen Fingerspitzen kribbelte es, als er mich schließlich losließ und mit seiner rauen Stimme sagte: »Das war ein sehr netter Abend. Vielen Dank.«
    » Ich habe zu danken«, gab ich zurück. Meine Stimme klang zwar müde, aber trotzdem ziemlich begeistert, besonders, als ich hinzufügte: »Vor allem für den Wahnsinnswein! Vielleicht können wir davon ja irgendwann mal zusammen ein Glas trinken.«
    »Klar«, sagte Adrian, während er mir tief in die Augen sah. »Jederzeit.«
    Mir zitterten die Knie, als ich die Tür hinter ihm zudrückte. Vorhin war ich noch so erledigt gewesen, dass ich im Stehen hätte einschlafen können, doch auf einmal fühlte ich mich aufgeputscht wie nach ein paar gut gezielten

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