Ich bin alt und brauche das Geld
anbrannten. Doch wen interessierten noch die Würstchen. An Essen war jetzt nicht mehr zu denken.
»Wie groß war das Ding, das du geschluckt hast?«, wollte Adrian von Mäxchen wissen. »Denk nach.«
»Normal«, sagte Mäxchen.
Als Adrian ihn aufforderte, mit den Fingern die Größe des Objekts zu demonstrieren, zeigte er ein Ding von der Länge einer Gabel.
»So groß war es nicht«, sagte Paulinchen. »Es war ja ganz in deinem Mund drinnen. Es hat nur eine Zacke rausgeguckt.«
»Eine Zacke?«, fragte ich mit versagender Stimme. »Eine Zacke von was?«
»Weiß nicht. Er hatte es ja im Mund drinnen.«
»Welche Farbe hatte es denn?«
»So silbern«, sagte Paulinchen.
»War es Geld?«, wollte Adrian wissen.
Mäxchen und Paulinchen schüttelten beide den Kopf.
»Vielleicht ein Nagel«, überlegte Paulinchen. »Es war irgendwie spitz.«
Ich musste mich an der Wand festhalten. »War es ein Nagel, Mäxchen?«
»M-mh«, sagte Mäxchen.
»Mein kleiner Bruder hat als Kind mal einen Nagel geschluckt«, sagte Adrian. »Daraufhin hat meine Mutter ihn gezwungen, eine ganze Büchse Sauerkraut zu essen. Das soll gut helfen.«
Ja, klar, und gegen einen Magendurchbruch half Handauflegen.
»Das mit deinem Bruder ist bestimmt schon lange her, oder?«
Er dachte kurz nach. »Ungefähr fünfzig Jahre. Aber er hat es überlebt und ist immer noch fit wie ein Turnschuh.«
»Wir müssen in die Notaufnahme.« Endlich konnte ich wieder klar denken. Ich erinnerte mich, was bei so einem Vorfall erste Pflicht einer verantwortungsvollen Aufsichtsperson war, auch wenn diese fatalerweise ein paar entscheidende Minuten lang nicht richtig aufgepasst hatte. »Sofort«, fügte ich hinzu.
»Ich fahre euch.«
Adrian war, man konnte es nicht anders beschreiben, der personifizierte Rettungsanker und außerdem absolut souverän. Er holte seinen Autoschlüssel, dann klingelte er bei Frau Ansari und fragte sie, ob sie eine Zeit lang auf Paulinchen aufpassen könne. Das war zum Glück problemlos möglich, und sie borgte mir auch noch einmal einen Kindersitz fürs Auto, sodass Adrian und ich sofort mit Mäxchen zum nächstbesten Krankenhaus aufbrechen konnten. Adrian holte seinen Wagen aus einer der Garagen hinterm Haus, und ich verfrachtete Mäxchen in die Sitzschale und schnallte ihn an. Die ganze Zeit war ich so sehr darauf fixiert, jedes Detail von seinem Gesichtsausdruck und seiner Körperhaltung zu beobachten – schließlich konnte sich sein Zustand jeden Augenblick dramatisch verschlechtern –, dass ich nicht mal merkte, welchen Wagen Adrian fuhr. Auf alle Fälle war er schnell, denn wir erreichten im Rekordtempo das Krankenhaus, wo Adrian verbotswidrig auf einem Stellplatz für Ärzte parkte. Mäxchen blickte sich interessiert um, als ich ihn im Laufschritt in die Notaufnahme trug, wo uns eine Schwester in den Weg trat. »Lieber Himmel, ist der Junge schwer verletzt?«
Dann sah sie sich sein Gesicht genauer an. »Das ist ja gar kein Blut. Sieht eher aus wie Lippenstift.«
»Er hat einen Gegenstand verschluckt.«
»Den Lippenstift?«
»Nein.«
»Was dann?«
»Das wissen wir leider nicht. Etwas mit einer Zacke. Es könnte ein Nagel gewesen sein.«
»Hat er Krämpfe? Schmerzen? Blut gespuckt?«
Ich schüttelte den Kopf, worauf die Schwester auf eine Reihe orangefarbener Stühle vor einer kahlen Wand zeigte, wo ungefähr ein halbes Dutzend trübseliger Menschen aller Altersklassen saßen und uns anstarrten.
»Da können Sie warten.«
»Kommen die alle vor uns dran?«, wollte Adrian wissen.
»Ja, leider ist heute viel los.«
»Aber das hier ist ein Notfall!«
»Und das hier ist eine Notaufnahme mit lauter Notfällen.«
Ich sah mir die Patienten an. Einer hatte sich den Unterarm mit einem Lineal geschient. Ein anderer hielt sich ein vollgeblutetes Taschentuch vor die Nase. Eine Frau wiegte sich mit schmerzlich verzogenem Gesicht vor und zurück und hielt sich dabei den Bauch.
»Hören Sie, so geht das jetzt aber nicht«, sagte Adrian. »Wir können nicht warten. Der Junge ist der Neffe des Oberbürgermeisters.«
»Er ist der … äh …?« Die Schwester wirkte einen Moment lang verunsichert, aber dann schüttelte sie den Kopf. »Netter Versuch. Setzen Sie sich einfach. Länger als eine Stunde wird es bestimmt nicht dauern, wir haben hier mehrere Ärzte im Einsatz.«
»Wir sind privat versichert.«
»Dann dauert es wohl leider doch etwas länger, denn in diesem Fall müssen Sie sich gedulden, bis ein Oberarzt aus der
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