Ich bin alt und brauche das Geld
Mäxchen war schon im Auto eingeschlafen und hing wie ein Stein auf Adrians Arm. Er musste dringend ins Bett. Und ich musste mit Olga ein Hühnchen rupfen.
Sie trug ein himmelblaues Hängerchen, einen braven Pferdeschwanz und ausnahmsweise kein Make-up, wodurch sie keinen Tag älter als sechzehn aussah. Außerdem war sie damit beschäftigt, das Wohnzimmer aufzuräumen, was mir ein wenig den Wind aus den Segeln nahm, weshalb meine Strafpredigt deutlich harmloser ausfiel als geplant. Davon abgesehen war ich über ihre Rückkehr viel zu erleichtert, um richtig böse auf sie zu sein.
Anscheinend erkannte sie auch von selbst, dass sie sich unmöglich benommen hatte, denn das schlechte Gewissen stand ihr im Gesicht geschrieben. Sie lief dunkelrot an, als ich genauer wissen wollte, was sie die beiden letzten Tage gemacht hatte. Tatsächlich hatte es sich so abgespielt, wie Adrian schon vermutet hatte: Sie hatte das Wochenende mit ihrem Lover durchgesumpft.
»Ich liebe ihn halt so sehr, dass ich es ganz schlecht ohne ihn aushalte«, verteidigte sie sich.
»Ich dachte, er ist bloß ein Freund.«
»Das ist doch ein ganz anderer.«
Auch das noch. Was sollte ich dazu denn noch sagen?
»Paolo ist der Mann meines Lebens«, behauptete Olga. »Wir wollen heiraten.«
Auch das kommentierte ich nicht weiter. Ich konnte ihr ja schlecht das Gegenteil beweisen. Der Name Paolo deutete außerdem auf einen Kulturkreis hin, in dem die Ehe noch als erstrebenswert galt.
»Außerdem habe ich am Wochenende sowieso immer frei.«
Diesen Einwand trug sie ein bisschen zu patzig vor, was mich in meinem Verdacht bestärkte, dass sie die Wochenenden immer nur bei mir frei hatte, nicht aber bei Jennifer. Ich hätte darüber noch eine Grundsatzdiskussion mit ihr führen können, doch dafür fehlte mir die Energie. Den letzten Tag vor Jennifers Rückkehr würde ich die ganze vertrackte Situation einfach irgendwie aushalten, und wenn dann endlich wieder Frieden in meinem Leben eingekehrt war, konnte ich mich in aller Ruhe von dem Stress erholen.
Zum Mittagessen erhitzte ich uns die Bratwürstchen und die Stampfkartoffeln in der Mikrowelle, und alle fanden, dass es lecker schmeckte, nur nicht Mäxchen, weil der noch schlief. Ich hob eine Portion für ihn auf und überlegte, nachher im Supermarkt noch rasch eine Dose Sauerkraut zu holen. Das passte als Beilage sowieso prima zu Bratwurst und Stampfkartoffeln.
Adrian blieb zum Essen, mit einer Selbstverständlichkeit, die zugleich Freude und Besorgnis in mir weckte. Ich fühlte mich auf so aufgekratzte Weise wohl in seiner Gegenwart, dass ich gar nicht lange überlegen musste, um zu begreifen, was mit mir los war: Ich war im Begriff, mich neu zu verlieben. Und das bildete ich mir auf keinen Fall bloß ein, denn dieses Gefühl konnte man gar nicht fehlinterpretieren. Begleitet wurde es jedoch von einer handfesten Portion Unbehagen. Wie würde es weitergehen, wenn die Kinder wieder weg waren und alle Zimmer renoviert? Das Drehbuch würde auch irgendwann fertig sein, und dann gab es keinen Grund mehr für ihn, mich weiterhin ständig zu treffen.
Doch mir blieb nicht viel Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Paulinchen lenkte mich mit vielen neugierigen Fragen ab. Sie wollte genau wissen, was im Krankenhaus mit ihrem Bruder passiert war, und als sie hörte, wofür wir das Sieb brauchten, das ich schon vorsorglich bereitgelegt hatte, kam sie aus dem Kichern nicht mehr heraus. Sie vergaß sogar ganz, nach ihrer Mama zu fragen, obwohl sie seit dem Vortag deutlich häufiger von Jennifer gesprochen hatte als in der vergangenen Woche. Ich hatte ihr erklärt, dass ihre Mama morgen zurückkommen würde, und hoffte inbrünstig, dass Jennifer nicht wieder spontan alle Pläne über den Haufen warf.
Nach dem Essen wurde Paulinchen müde, und als Olga, die ebenfalls keinen besonders frischen Eindruck machte, ihr vorschlug, sich mit ihr im Abstell-Gästezimmer für ein Stündchen hinzulegen, stimmte sie bereitwillig zu.
Adrian half mir beim Abwasch. »Ich schulde dir übrigens noch ein Abendessen«, sagte er beiläufig, als er anschließend das Küchenhandtuch weghängte. »Was hältst du von Samstagabend?«
Sofort litt ich wieder an akutem Pulsrasen. »Warum nicht?«, meinte ich mit peinlich kurzatmiger Stimme.
»Ein Bekannter hat mir ein Restaurant in Offenbach empfohlen, sie veranstalten da ab und zu etwas, das sie Wein-Degustation nennen, und dazu soll es ein absolut spitzenmäßiges Fünf-Gänge-Menü
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