Ich bin alt und brauche das Geld
das dauerte nicht lange, wir brauchten ihn nur an die Bootsfahrt zu erinnern, die er sich verdient hatte.
»Was hat er denn nun geschluckt?«, wollte Adrian von dem Arzt wissen.
Der zeigte uns die Röntgenaufnahme. »Da, sehen Sie? Dieses Ding da?«
»Ein Schlüssel«, sagte Adrian verblüfft.
Der Arzt nickte. »Eher ein Schlüssel chen . Es dürfte problemlos den übrigen Verdauungstrakt passieren und auf natürlichem Wege ausgeschieden werden. Mit anderen Worten, es kommt unten wieder raus.«
»Müssen wir auf irgendwas achten?«, fragte ich.
»Falls er Schmerzen, einen harten Bauch oder Fieber kriegt oder sonst irgendwie auffällig wirkt, müssen Sie sofort wiederkommen. Aber ich persönlich rechne nicht damit, also entspannen Sie sich ruhig. Dann entspannt sich auch der Kleine – und seine Verdauung.«
»Das leuchtet ein«, sagte Adrian.
»Ach ja, und natürlich müssen Sie sieben.«
»Sieben?«, fragte ich verwirrt, in der Annahme, er hätte damit die Zahl gemeint und das, was danach kam, kurzerhand weggelassen, weil er glaubte, dass es sich von allein erklärte. Zum Beispiel so was in der Art wie sieben Tage schonen .
»Sieben. Mit einem Sieb.«
»Sie meinen, wir müssen … das Kacki … ähm den Topfinhalt …«
»Genau. Bis auf das letzte Häufchen. So lange, bis sie es gefunden haben. Das ist ganz wichtig. Nicht, dass sich das Ding heimlich in eine Darmfalte klemmt und da jahrelang stecken bleibt. Kommt gelegentlich vor, wenn auch selten. Deshalb das Sieb.«
»Kein Problem«, sagte ich. »Ich habe ein Sieb.«
»Prima. Ach ja«, sagte der Arzt, schon auf dem Weg nach draußen. »Eine Sache könnten Sie noch machen, um eine sichere Passage durch den Darm zu unterstützen. Geben Sie dem Kleinen reichlich Sauerkraut.«
*
Als wir erschöpft, aber auch enorm erleichtert wieder zu Hause eintrafen, stöckelte gerade Natascha zu ihrem Briefkasten, top gestylt und aufgebrezelt wie eine von Paulinchens Barbies, denen sie wirklich erstaunlich ähnlich sah. Sie holte einen Stapel Prospekte heraus und warf ihn auf den Boden, worauf sich sofort die Tür zu Herrn Knettenbrechts Wohnung öffnete und er herausgeschossen kam.
»Ich wusste es! Ich habe es genau gewusst!« Wutbebend deutete er auf das Corpus Delicti zu ihren Füßen. Dann sah er mit dem Blick eines waidwunden, aber noch im Tode triumphierenden Rehs zu uns herüber. »Sie waren Zeuge!«
Natascha ignorierte ihn und lächelte mich an. »Alles in Ordnung mit kleine Junge? Frau Ansari hat erzählt von schlimme Stress.«
»Er hat einen Schlüssel verschluckt, aber das wird wieder«, sagte ich. Hoffnungsvoll fügte ich hinzu: »Sie haben wohl nicht zufällig was von Olga gehört, oder?«
»Doch. Sie ist wieder da. Vorhin nach Hause gekommen.«
Ich verkniff mir gerade noch einen Freudenschrei. Das war – nach der Entwarnung im Krankenhaus – definitiv die zweitbeste Nachricht des Tages.
»Was wollen Sie denn jetzt unternehmen?«, fragte Herr Knettenbrecht Adrian.
»Den Kleinen nach oben tragen und ins Bett legen. Und dann vielleicht ein Stück Bratwurst essen, weil ich ziemlichen Hunger habe.«
»Ich meine wegen Frau Dimitriewa«, rief Herr Knettenbrecht Adrian, der schon auf halber Treppe war, verzweifelt hinterher. »Sie müssen doch endlich Maßnahmen ergreifen!«
Adrian tat einfach so, als hätte er es nicht gehört.
»Ich sollte dem Typ kündigen, der nervt langsam wirklich«, sagte er zu mir, als ich bei den Ansaris klingelte.
»Das geht nicht«, sagte ich. »Außer im Falle von Eigenbedarf. Und den kannst du kaum begründen, denn du hast ja schon zwei Wohnungen.«
»Das weiß ich doch. Ich meinte auch eher eine Kündigung des Hausmeisterpostens.«
»Dann müsstest du dich selbst um die Waschmaschinen und die kaputten Schlösser kümmern«, gab ich zu bedenken.
»Da hast du auch wieder recht.« Er seufzte. »Und Herr Knettenbrecht hätte dann noch mehr Zeit, sich über sinnlosen Kram aufzuregen. Ich schätze, ich werde ihn wohl weiterhin ertragen müssen.«
»Tja, so ein Haus bringt wirklich ganz schön Verantwortung mit sich.«
»Du sagst es. Man kommt sich mit der Zeit vor wie eine Art Kreuzung aus Manager, Psychologe, Kindermädchen, Herbergsvater und Handwerker.« Er grinste mich an. »Aber das hat manchmal auch durchaus was für sich.«
Frau Ansari öffnete uns die Tür und rief nach Paulinchen, und anschließend wollte sie uns unbedingt zu Tee und pakistanischem Gebäck einladen, doch das mussten wir dankend ablehnen.
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