Ich bin alt und brauche das Geld
Kinderabteilung vorbeikommt, und die haben im Moment sowieso schon alle Hände voll zu tun.«
Ich meldete mich zu Wort. »Er ist erst drei Jahre alt und hat eine Wahnsinnsangst.«
Bei diesen Worten duckte ich mich unter ihrem scharfen Blick, denn wenn sie noch genauer hinsah, würde sie sofort merken, dass in Wahrheit ich diejenige mit der Wahnsinnsangst war.
Doch Mäxchen lenkte sie erfolgreich ab. Nicht absichtlich natürlich, sondern eher zufällig, aber trotzdem hätte es gar nicht besser passen können.
»Krieg ich jetzt den Bauch aufgeschnitten? Mit dem Messer? So wie in CSI? Holen sie das Ding aus meinem Bauch raus? Komm ich dann in ein Grab wie Opa? Ich will keine tote Leiche sein!« Er schluchzte laut. »Ich will nicht in eine Urne!«
Lieber Himmel, er hatte wirklich eine Wahnsinnsangst! Das Gesicht der Schwester wurde auf der Stelle weich. »Kommen Sie«, sagte sie.
Sie ging voraus zu den Behandlungsräumen, und wir folgten ihr, ohne auf das Murren von den orangefarbenen Stühlen zu achten.
Ein gestresst wirkender Kinderarzt untersuchte Mäxchen und stellte mir währenddessen Fragen zu seinen früheren Erkrankungen, die ich natürlich nicht beantworten konnte. Daraufhin wollte der Arzt wissen, warum keiner der Erziehungsberechtigten anwesend sei, was auf der Stelle eine Panikattacke bei mir auslöste. Ich musste die Erziehungsberechtigten informieren! Große Auswahl hatte ich dabei nicht, denn Jennifer war nicht zu erreichen. Ich hatte eine Mail an die Adresse geschrieben, die Evelyn mir auf einen Klebezettel gekritzelt hatte, aber bisher keine Antwort bekommen, obwohl ich mich kurz gefasst und es wirklich dringend gemacht hatte (»Liebe Jennifer! Olga ist seit 2 Tagen verschwunden. Bitte teile mir doch möglichst sofort mit, wann du endlich aus London zurückkommst! Viele Grüße, Charlotte«). Also blieb nur Mark. Ich würde zum Hörer greifen und etwas in der Art sagen müssen wie: »Sorry, ich hab mal kurz nicht auf Ihren Sohn aufgepasst, und jetzt hat er leider einen Fremdkörper verschluckt. Es könnte ein langer, spitzer Nagel sein, in jedem Fall aber etwas mit einer Zacke, und ich sitze hier gerade in der Notaufnahme und habe keine Ahnung, was als Nächstes passiert.«
»Die Eltern sind im Ausland und derzeit nur sporadisch zu erreichen«, sagte Adrian. »Sie haben den Kleinen für ein paar Tage bei uns gelassen.«
Dieses solidarische Bei uns nahm mir ein bisschen von meiner Angst. Dankbar blickte ich ihn an. Er ergriff meine Hand und drückte sie fest, worauf ich anfing zu zittern und nur mühsam die aufsteigenden Tränen unterdrückte. Ganz offensichtlich stand ich kurz vor einem handfesten Nervenzusammenbruch.
»Na ja, die Prozedur ist in solchen Fällen sowieso immer dieselbe«, sagte der Arzt. »Zuerst wird geröntgt, und dann sehen wir weiter.«
»Was meinen Sie mit weiter? «, wollte Adrian wissen. »Welche Optionen gibt es denn?«
»Operieren oder nicht operieren. In den meisten Fällen müssen wir es nicht. Es kommt darauf an, was der Kleine geschluckt hat und wo es gerade steckt.«
Vor den Röntgenräumen gab es ebenfalls orangefarbene Stühle, auf denen ein paar Leute saßen, doch diesmal veranstalteten wir keinen Aufstand wegen der Wartezeit, denn mir war jede Galgenfrist recht, die es mir ersparte, den schrecklichen Anruf machen zu müssen. Trotzdem war es zermürbend, denn es dauerte eine halbe Ewigkeit.
Als wir endlich an der Reihe waren, brauchten wir die zweite halbe Ewigkeit, um Mäxchen davon zu überzeugen, dass ihm auf dem Tisch, auf den wir ihn legten, nicht der Bauch aufgeschnitten werden sollte und dass die Röntgenassistentin wirklich und ganz ehrlich nicht beim CSI war. Er wollte trotzdem in ihren Kitteltaschen nachsehen, ob sie da vielleicht ein Messer versteckt hatte. Und dann mussten wir ihn noch bestechen, damit er für die Röntgenaufnahme stillhielt.
»Wir fahren mit einem echten Boot«, sagte Adrian. »Und du darfst es lenken.«
Das wirkte sofort und nachhaltig. Mäxchen blieb reglos in der vorgeschriebenen Position liegen, die Aufnahmen konnten gemacht werden.
Als der Arzt hinterher zu uns kam und sagte, dass eine Operation nicht nötig sei, brach ich in Tränen der Erleichterung aus. Adrian umarmte mich und hielt mich fest an sich gedrückt, und obwohl ich so außer mir war und kaum noch zusammenhängend denken konnte, spürte ich die besondere Magie dieses Augenblicks.
Mäxchen heulte ein bisschen mit und musste ebenfalls getröstet werden, doch
Weitere Kostenlose Bücher