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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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dir gesagt, wohin sie geht?«
    »Auf eine Feier. Sie hatte ein sehr kurzes Kleid an und eine Flasche Wodka unterm Arm.«
    »Klingt für mich ganz danach, als wäre sie irgendwo versackt. Ist dir das nie passiert, als du jung warst?«
    Ich dachte nach, dann schüttelte ich den Kopf. »Nicht wirklich. Ich bin immer am nächsten Tag nach Hause gekommen. Und wenn nicht, hätte ich daheim angerufen und Bescheid gesagt.«
    »Hat sie denn deine Nummer?«
    »Natürlich. Ich habe ihr seit gestern unzählige SMS geschrieben und zigmal auf die Mailbox gesprochen. Meine nächste Telefonrechnung ist bestimmt so lang wie eine Tapetenrolle.«
    »Oh. Hm.« Adrian sah sich mit schuldbewusster Miene in der Küche um. »Wir sollten wohl dringend mit der Renovierung weitermachen, was? Ich meine, die ganze Wohnung ist ja eine einzige Baustelle. Und daran bin nur ich schuld. Verflixt, ich hätte schon die Handwerker für das Bad bestellen sollen. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen.«
    »Darauf wollte ich nicht anspielen«, versicherte ich ihm wahrheitsgemäß. »Die Tapetenrolle war einfach nur der erstbeste Vergleich, der mir eingefallen ist.« Ich seufzte. »Irgendwie fühle ich mich für Olga verantwortlich.«
    »Sie wird schon noch auftauchen. Auf mich hat sie einen sehr eigenständigen Eindruck gemacht. Außerdem ist sie volljährig.«
    »Hm. Das ist ja gerade der Punkt, bei dem ich mir unsicher bin. Sie hat mir nicht ihren Pass gezeigt.«
    Adrian lachte. »Glaub mir, Olga kommt schon zurecht.«
    »Trotzdem. Es kommt mir nicht richtig vor, gar nichts zu unternehmen.«
    »Es gehört aber nicht zu deinen Aufgaben, auf sie aufzupassen, das wäre ja noch schöner. Außerdem – sollte nicht Jennifer schon längst wieder da sein?«
    Diesmal fiel mein Seufzen etwas länger aus. »Bei Jennifer haben sich ein paar Komplikationen ergeben.«
    Prompt zog Adrian sein Notizbuch aus der Hosentasche und setzte sich an den Küchentisch. »Ich bin ganz Ohr.«
    Ich erzählte es ihm, aber erst, nachdem er mir noch einmal hoch und heilig versprochen hatte, alle Ereignisse so zu verfremden, dass kein Mensch je auf den Gedanken kommen konnte, es den richtigen Personen zuzuordnen, nicht mal die Betroffenen selbst. Adrian war begeistert von den unerwarteten Wendungen in London und schrieb eifrig mit. Die übrigen Neuigkeiten fand er ebenfalls hochinteressant. Als ich ihm erzählte, dass Doro und ich den halben Morgen auf winzigen Kindergartenstühlchen zugebracht und gepuzzelt hatten, entwarf er mit breitem Grinsen und aus dem Stegreif eine komplette Szene mit Dialogen, die er mir hinterher vorlas. Auch Olgas Verschwinden wollte er dramaturgisch einbauen.
    »Ich könnte eine Entführung durch die russische Mafia daraus machen«, überlegte er.
    »Ich finde das nicht besonders witzig.«
    »Oh, das wirst du, wenn das Buch erst fertig ist.«
    »Ich spreche nicht von deinem Buch, sondern vom richtigen Leben. Was ist, wenn sie wirklich entführt worden ist?«
    Adrian lachte bloß und schrieb weiter. Doch er kam nicht mehr dazu, neue Szenen zu entwerfen, denn im nächsten Moment trat besagter Notfall ein.
    Mäxchen kam in die Küche und sah mich auf merkwürdig schuldbewusste Weise an. Sein Gesicht war mit roter Farbe beschmiert, die verdächtig nach meinem neuen Lippenstift aussah.
    »Iss hab es geluckt.«
    »Was hat er gesagt?«, wollte Adrian wissen.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Was hast du gesagt, Mäxchen?«
    »Iss hab es geluckt«, wiederholte Mäxchen weinerlich. »Aus Versehen.«
    Geluckt … Geluckt … »Du meinst, du hast was geschluckt?«, fragte ich entgeistert.
    Der Kleine nickte betreten.
    »Was denn? Etwas von dem Lippenstift?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Was denn dann?«
    Er zuckte nur mit den Schultern.
    Paulinchen kam in die Küche. »Er weiß genau, dass er das nicht soll. Aber er hat’s gemacht.«
    »Was denn?«
    »Sachen in den Mund stecken. Das machen nur kleine Babys.«
    »Um Himmels willen, was war es denn?«, rief ich entsetzt.
    Vielleicht war ich eine Spur zu laut, denn die Kinder zuckten zusammen und Mäxchen fing an zu heulen.
    Jetzt bloß keine Panik. Nur nicht anmerken lassen, dass ich einen Puls von mindestens zweihundert hatte und kurz davorstand, zu hyperventilieren. Hier kam es auf Besonnenheit an. Und auf vernünftiges Handeln.
    Dass ich nichts weiter tat als händeringend und nach Luft schnappend in der Küche zu stehen, merkte ich erst, als Adrian zum Herd sprang und ihn ausschaltete, weil die Würstchen gerade

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